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Psychische Studien.
Monatliche Zeitschrift,
vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des
Seelenlebens gewidmet
37. Jahrg. Monat Dezember. 1910.
I. Abteilung.
Historisches und Experimentefies.
Das Haar der Eusapia Paladino,
Von Josef Peter, Oberst a. D. (München).
Wiederholt ist die Behauptung aufgestellt worden, daß
das berühmte Medium Eusapia Paladino unter anderen
Tricks sich eines Haares oder auch eines dünnen Fadens
bediene, um kleine Gegenstände, die sich auf dem Tisch
oder sonst wie in der nächsten Nähe befinden, zu bewegen
und so den Sitzungsteilnehmern das Phänomen der Bewegung
von Gegenständen ohne Berührung vorzutäuschen. Wer
jemals einer richtig inszenierten und geleiteten mediumisti-
schen Sitzung angewohnt hat, der weiß, daß es nahezu ausgeschlossen
ist, daß das Medium ohne Torbereitung einen
derartigen Schwindel ausführen kann, ohne entdeckt zu
werden. Selbst wenn es gelingt, infolge des bekannten
Handunterschiebens eine Hand von der Kontrolle frei zu
bekommen, ist die Sache nicht so einfach, als sie von den
gescheiten Skeptikern hingestellt wird. Versuchen Sie, geehrter
Leser, doch einmal selbst: volles Tageslicht; Sie erhalten
eine Hand frei, und man gibt Ihnen in dieselbe ein
Haar oder einen Faden, — es wTird Ihnen schwerlich gelingen,
eine Schlinge zu bilden, sodaß Sie einen Gegenstand, wie
z. B. eine Zigarettenschachtel, frei aufheben können. Mit
dem Haar ist es noch schwieriger, als mit einem Seidenfaden
, denn es reißt zu leicht. Wird die Beleuchtung abgeschwächt
, so wird das Experiment nahezu zur Unmöglichkeit.
Man muß solche Dinge selbst probieren, statt sich mit dem
Ausspruch zu begnügen: „Ach, ein Taschenspieler kann
alles!" Uebrigens zeigt ein lichtstarkes Objektiv bei einigermaßen
günstigen Umständen das feinste Haar, geschweige
denn einen Faden auf dem Negativ; die Photographie der-
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