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Göbel: Prüfet die Geisten
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vom Lebensodem, seinem Träger, Abschied. Auferstehen
kann er wieder nur im Lebendigen, von ihm und durch es
sich neuen Odem leihen, neu zu wirken, neues Erbgut zu
schaffen — allzeit ein Mehrer seines Reiches, das von der
Einheit des Weltganzen in Zeit und Ewigkeit Zeugnis gibt.
Vom Wachstum des Unerschöpflichen auf erschöpflich-un-
erschöpflicher Energie. Der Urgrund beider Reihen ist der
gleiche: das Wirken im Willen zum Werden, das
letzte uns Erkennbare allen Seins und Erscheinens. Die
Erfüllung ist die Lebensarbeit, der Kampf ums Dasein und
um die Aufwärtsentwiekelung.
Prüfet die Geister!
Aus dem Holländischen von J. S. Göbel (de Bildt),
übersetzt von M. E. van Benten.
(Fortsetzung statt Schluß von Seite 652.)
Wenn man d'e verschiedenen Episteln mit einander
vergleicht, wird es uns immer deutlicher, wie die Christen
das Mittel, um die Geister zu prüfen, gewöhnlich verkehrt
angewandt haben. Während die Vorschrift des Johannes
mehr gerichtet war gegen die betrügerischen oder Jesu
feindlich gesinnten Geister-Mitteilungen zu seiner Zeit, so
waren viele schon damit zufrieden, wenn irgend ein Geist
das Bekennen Jesu guthieß oder solches durch die Hand
eines Mediums schrieb oder durch dessen Muad sprach.
lTnd wenn dann dies geschehen war, nahm man alles, was
weiter mitgeteilt wurde, als reine Wahrheit an und gehorchte
oft blindlings den Ratschlägen und Befehlen der
unsichtbaren Geister.
Hier steckt die größte Gefahr in der Praxis des Spiritismus
. Immer und immer wieder muß man die Geister
prüfen, ob sie wahrheitliebend und aufrichtig sind. Johannes
sagte nicht, daß die Geister sagen oder nachschwatzen
müssen, daß sie Jesu Lehre bekennen, daß nie
vielmehr dies mit Worten und mit der Tat zeigen müßten.
Davon muß der Inhalt ihrer Mitteilungen zweifelsohne
Zeugnis geben und nicht frommlautende, wenig sagende
Gemeinplätze. Schon viele unwissende Menschen, welche
nicht weiter nachdenken, sind dadurch die Opfer betrügerischer
Geister geworden, welche sich in die Sprachgewänder
der Frommen hüllten und ihnen vorkamen wie
„Engel des Lichts", während sie vermummte unsaubere
Geister waren, die Geschmack daran finden, die Menschen
zu betrügen und zu beherrschen.
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