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Kurze Notizen
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fälscht" zu haben, verteidigte. Um diese Bilder, die die
lückenlose Entwickelung des Affen zum Menschen darstellen
, ist ja schon seit langem ein heftiger Streit entbrannt,
und Haeckel hat sich oft gegen die Behauptung der
Fälschung verteidigt. Haeckel selbst gab zu, „sechs oder
acht vom Hundert* der Embryonenbilder „konstruiert" zu
haben, nämlich jene, bei denen das vorliegende Beobachtungsmaterial
zur Herstellung einer zusammenhängenden
Entwickelungskette nicht vollständig genug war. Wer, wie
Haeckel, auf seiner Lehre eine neue Weltanschauung aufbauen
und so auf die Massen wirken ^olle, der müsse sich
der sshweren Verantwortung, die er damit übernimmt,
wohl bewußt sein, der müsse ein Fundament haben, das
vor jeder Prüfung bestehen kann. Unerhört ist es geradezu
, daß Haeckel zum Beispiel dem geschwänzten Makak-
Embryo von Seleuka 15 bis 16 Wirbel fortgenommen und
dann „ Gibbon* darübergeschrieben hat. Und wenn er
jetzt die Notwendigkeit zugebe, dem letzteren durch „Zu-
reehtstutzungen " und „Rekonstruktionen* nachhelfen zu
müssen, so geschah das doch wohl nur, weil die neueste
Entwickelung der Dinge ihn davon überzeugt habe, daß
die TJnfehlbarkeitspose auf die Dauer doch nicht zu halten
war. Der gekennzeichnete moralische Sturz HaeckePs ist
nach der Ansicht des Redners ein neuer Beweis für den
Beginn des Zerfalls der materialistischen Gewaltherrschaft,
fßerl. Lok.-Anz.* vom 12. X. 10.)
i) Ein Schuljunge als Arzt. Eine in Boston erscheinende
Zeitung erzählt, daß in Hopkinsville in Kentucky
ein merkwürdig begabter Knabe lebt: er kann kaum
lesen und schreiben, besitzt aber die Fähigkeit, sich selbst
zu hypnotisieren, und wird dann ein hervorragender Arzt,
der sich auf die gelehrtesten und subtilsten Fragen der
medizinischen Wissenschaft einläßt und in den Diskussionen
mit hervorragenden Doktoren einen ans Wunderbare grenzenden
Scharfsinn entwickelt. Uber diesen phänomenalen
Jungen berichtete jüngst Dr. Wesley Keicham in einer
Bostoner Ärztegesellschaft. Der angesehene Arzt versicherte
, daß er dem Knaben, der sich selbst in magnetischen
Schlaf versetzt hatte, mehrere seiner Patienten vorgeführt
habe und überrascht gewesen sei von der Richtigkeit
der Diagnosen, die der Junge wie etwas Selbstverständliches
hergesagt habe. Dr. Ketcham erzählte u. a.
von dem Experiment, das mit der Tochter eines der angesehensten
Bürger von Cincinnati gemacht worden sei; die
junge Dame habe an einer Krankheit gelitten, die von
mehreren bedeutenden Ärzten für unheilbar erklärt worden
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