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Psychische Studien.
Monatliche Zeitschrift,
vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des
Seelenlebens gewidmet.
38. Jahrg. Monat Januar. 1911.
I. Abteilung.
Historisches und Experimentelles.
Ljoff Nikolajewitsch Tolstöj.*)
Originalbeitrag von Wladimir Miehajlowitsch Wolynoff.
Man muß eigentlich Russe sein, um die seltsame Erscheinung
des Grafen Tolstöj voll und ganz würdigen und
begreifen zu können. Wir haben übrigens Schriftsteller,
die er nicht übertroffen, Männer wie Dostojewski], die
seinen Ruhm streitig machten, wäre er nicht der Graf Ljoff
Tolstöj, hätte er sich nicht durch sein unermeßliches Vermögen
Freunde erworben, die im In- und Auslande zu
seiner Berühmtheit beitragen. Und doch muß zugegeben
werden, daß er die russische Literatur und überhaupt die
gebildete Welt mit psychologisch bedeutungsvollen Schilderungen
des heutigen Lebens beschenkte, die stets mit
Spannung neuen Erscheinungen seiner künstlerisch gewandten
Feder entgegensehen ließen.
Wer in Tolstöj den einfachen Landedelmann ersieht,
der irrt sich. Seine Bildung ist keine geringe. Bevor er
als Junker im Kaukasus zu den Waffen eilte, hatte er zu
Petersburg in der Jurisprudenz promoviert, obgleich er anfangs
zu Kasänj 2 Semester Orientalia hörte. Aber wahr
ist, daß er schon vor dieser Zeit und besonders, nachdem
er nach Beendigung des Krymkrieges, in dem er sich als
Hauptmann der Artillerie und Batteriechef auszeichnete
(wie z. B. bei der Verteidigung von Sewastöpolj), ein für
allemal dem von ihm mißachteten Heeresdienst valet ge-
*) Vergl. unseren Nachruf im Dez.-Heft v. J., K. Not. a). Um
auch der gegenteiligen Beurteilung Raum zu geben, entlehnen wir
obigen Beitrag eines russischen Spiritisten mit Erlaubnis des Herausgebers
der Nr. 50 der „Zeitschr. f. Spir." v. 17. Dez. 10. — Der Verdacht
einer Bestechung der öffentlichen Meinung durch Geld erscheint
uns unwürdig. — Red.
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