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16 Psychische Studien. XXXVIII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1911.)
einer öffentlichen Verwertung solcher Phantasie gehabt, so
hat er offenbar nach der Vollendung dieser Skizze bald deren
Minderwertigkeit erkannt und hat mit Recht von der Veröffentlichung
abgesehen. Daß er später überhaupt nicht
diese Handschrift mit so zweifelhaftem Inhalte vernichtet
hat, erklärt sich wohl nur aus der Nachschrift, die er
anfügte. Uber diese ist gleich Einiges zu sagen.
Der Verfasser des Machwerkes.
Weder die Erfindung, noch der Stil des Textes dieser
Handschrift sind die Art La Harpens; und beides ist
auch seiner garnicht würdig. Sein Stil und die Gegenstände
seiner Darstellung waren feierlich und nicht feuille-
tonistisch, eher schwerfällig auf hohem Kothurn. Man
könnte geneigt sein, anzunehmen, daß er hier das kurze
Machwerk eines anderen abgeschrieben habe, etwa zur Erinnerung
an die darin zusammengestellten erschütternden
Tatsachen; dies auch etwa nur, um diesem Machwerke die
Nachschrift anfügen zu können, die höchstwahrscheinlich
aus seinem eigenen Geiste stammt. Ass<11ineau, der
sogleich weiter zu erwähnen ist, geht sogar in der als Motto
hier genannten Stelle soweit, die Verfasserschaft von La
Harpe wirklich zu bezweifeln. Es sind auch nur zwei
Tatsachen, die für diese sprechen: erstens die Einführung
von La Harpe selbst als Erzähler dieses Artikels und
zweitens die erwähnte Nachschrift, die ihm selbst das Wichtigste
gewesen zu sein scheint und die auch dabei für die
Beurteilung seiner Persönlichkeit das Interessanteste ist.
Die ganze Darstellung gibt sich als die Erinnerung von
La Harpe selbst. Sie beginnt: „II me semble que c'etait
hier, et e'^tait cependant au commencement de 1788.tf Sodann
tritt er selbst als Mitwirkender bei dieser Szene auf:
„Cette fois c^tait moi - meme qui parlais." Darauf läßt er
Cazotte antworten: „Vous y serez pour un miracle tont
au moins aussi extraordinaire: vous serez alors chr^tien."
Das paßt auf niemand anders als auf L a H a r p e; denn nur er
kehrte zur Kirche zurück. Sollte La Harpe das Machwerk
eines anderen benutzt haben, so hat er sich dieses wenigstens
durch die Einfügung dieser Stelle immerhin zu eigen
gemacht.
La Harpe's Nachschrift.
Daß Petitot von La Harpe's Handschrift nur
die drastische Erzählung hat abdrucken lassen, ist sehr zu
bedauern. Daß er deren Nachschrift unterdrückt hat, zeigt,
daß er nicht den kulturgeschichtlichen Wert erkannte, den
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