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58 Psychische Studien. XXXVIII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1911.)
sensitive*, mit denen Luttenbacher einige erstaunlich gut
gelungene Experimente vorführte. Die quer über die
flachen Handflächen zweier Sensitiven gelegte Hute rotierte
unter dem Einfluß einiger Handbewegungen Lutten-
haeher's um ihre eigene Achse. Auch ohne die Rute ist
der Experimentator in der Lage, Proben von der Wirkung
seines Odfluidums zu geben. Wie ein unsichtbarer Mantel
umhüllt es ihn, und der Sensitive vermag ihn nicht zu berühren
, da die Hand wie vor einem Hindernis stockt.
Luttenbacher zwingt die Sensitiven, vorwärts und
rückwärts zu gehen und Halt zu machen. Er läßt sie
vor einer magnetischen Linie stutzen, zieht sie mit der
Rechten an und stößt sie mit der Linken ab. Als treibende
Urkraft nimmt Luttenbacher den Erdmagnetismus an,
dessen Einfluß alles Gewordene unterworfen sei.*
Die „Straßburger Neuesten Nachrichten* (Nr. 282 vom
3. Dez. 10) bringen nach einer allgemeinen Einleitung noch
folgende interessante Einzelheiten:
„Der Redner gab zunächst einen kurzen Uberblick über
die Geschichte der Wünschelrute in Deutschland. Erstmals
hörte man von ihr im Mittelalter, wo sie jedoch von
Aberglauben umrankt war. Ihre Wirksamkeit hielt man
von Zaubersprüchen abhängig, unter denen die Ruten geschnitten
werden mußten; auch die Holzart, von der sie
stammte, sollte von verschiedener Wirkung sein, ob von
Erle, Haselnuß oder Ulme. Paracelsus stellte zum
ersten Male eine Erklärung auf, die sich den heutigen Erfahrungen
bezüglich der Autosuggestion nähert, nämlich
den Glauben an die Kraft der Rute. Während bis
dahin die Wünschelrute zur Auffindung von Metallen
diente, wurde zu Anfang des 17. Jahrhunderts auch deren
Fähigkeit zur Auffindung von Wasseradern wieder entdeckt
. Als der Galvanismus aufkam, wurde die Eigenschaft
der Wünschelrute mit galvanischen elektrischen Strömungen
in Verbindung gebracht. Daß aber bei manchen hochsensiblen
Menschen nicht einmal die Wünschelrute erforderlich
ist, bewies der Italiener Campetti, welcher nur
durch seine außerordentlich starke Sensibilität imstande
war, Wasser und Metalle aufzufinden. Durch die ablehnende
Haltung und die Interesselosigkeit der „Akademie
der Wissenschaften* in München verschwand die
Wünschelrute fast für ein Säkulum. Erst in den letzten
Jahren, als der Landrat v. Uslar auf Veranlassung des
Kaisers nach Südwestafrika gesandt wurde, wo er an etwa
800 Stellen Wasser feststellte, was denn auch bei 79 Pro-
zent aufgefunden wurde, schenkte man der Sache wieder
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