Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
38. Jahrgang.1911
Seite: 61
(PDF, 210 MB)
Bibliographische Information
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Der Gedankenleser Bellini, das telepathische Phänomen. 61

ung mit dem Parkett und den Logen. Einige Schauspieler
führten gestern den Gedankenleser aufs Glatteis, aber
Bellini führte alle ihre Gedanken aus. Er holte Logengäste
auf die Bühne, zog ihnen Notizbücher aus der
Tasche und sehrieb seinen Namen hinein, holte Kartenspiele
aus den Bocktaschen und wählte die in Gedanken
bestimmte Karte. Er holte Zigarren aus bestimmten Rocktaschen
. Man sitzt dabei und fragt sich: Was geht vor?
Bellini holt seine Herrschaften vorn an die Orjchester-
rampe, packt ihren Puls, klatscht mit der Hand an die
Schläfen, fährt von den Schläfen herab zur Wange, die
Augenlider fallen halb herab. Er scheint alles ausgeschaltet
zu haben, was nicht Nerv an ihm ist. Immer wieder der
kurze klatschende Schlag an die Schläfen, wenn er neue
Kraft zu sammeln schien. Dabei stürmt er mit dem Auftraggeber
, den er am Handgelenk packt, durch das Parkett
und hinein in die Loge mit seltsam verlorenem Blick und
starrt vor sich hin. Die Schläfen scheinen zu hämmern,
die Pulse fliegen, er krümmt sich bald mit jagenden
Schritten, bald mit stockenden Füßen, bald hoch aufgerichtet
, bald taumelig und bebend. Alles springt aus
den Logen auf ins Parkett und starrt ihm nach wie ge-*
lähmt und entsetzt.

Es ist wie ein Stück aus E. T. A. Hoffmann. Man
fühlt etwas für irdischen Verstand Unbegreifliches arbeiten
in dem Mann, dessen hohe, kraftvolle Gestalt nur noch ein
gleitendes Nervensystem zu sein scheint. Wenn er sich
von Frauen führen läßt, tut er es, ohne sie zu berühren.
Aber mit seltsam tastenden fahrigen Bewegungen schneiden
seine Hände durch die Luft, als ströme das Geheimnis, das
hinter den weißen Frauenstirnen kichert, ihm durch die
Luft und die Fingerspitzen zu. Dann schreitet er voran,
die Damen im Trippelschritt und mit großen, wippenden
Pleureusen hinter ihm her. Ein halb beklemmendes, halb
heiteres Bild. Aber niemand spottet mehr, alles sieht sich
verwirrt an; alles, was an Gedankenlesern bis heut gewesen
ist, ist kindliches Spiel dagegen. Das Unerhörteste ist der
Augenblick, wo er vor einem leeren Parkettsitz stockt und
sagt: „Die Person, die ich auf die Bühne führen soll,
muß soeben fortgegangen sein/ Und das wird bebestätigt
! Immer wenn ihm ein Auftrag gelungen ist,
schnellt seine Gestalt auf, sein Gesicht nimmt wieder den
weltmännischen Ausdruck an, aber die Brust keucht noch,
und er kühlt sich mit einem seidenen Tuch das Gesicht. —

Die Äerzte werden das Vergnügen haben, uns jetzt zu
sagen, was Bellini als Phänomen bedeutet. Sie sind be-


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