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Kurze Notizen
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gibt, nach der Herz und Vernunft gleich sehr dürsten. Frankreich
, das wohl den Kuhm der sozialen Befreiung der Menschheit
beanspruchen dürfte, wird wieder die Holle der intellektuellen
Initiative und der Inspiration auf moralischem
Gebiet übernehmen. Die Menschheit ist ja das große Vaterland
, die auf der harmonischen Blüte und nicht auf der
Vernichtung der bestimmenden Nationen beruhende lebendige
Synthese. Die Zukunft wird aber mit in erster Linie das
Werk des bisher egoistischen Zwecken des Mannes geopferten
Weibes sein. Der Platz, der eine Zivilisation der
Frau anweist, erlaubt uns, ihren Wert zu beurteilen. Naturwissenschaften
, Philosophie, Künste, Religionen, Nationalökonomie
sind nur Schattierungen („nuances"), Teilansichten
des Gesamthe^ ußtseins der versöhnenden, einheitlichen und
vollständigen („integrale*) Universalsynthese. Claude
Bernard hat einmal gesagt: „Ich bin überzeugt, daß ein
Tag kommen wird, wo der Physiologe, der Dichter und
der Philosoph, die gleiche Sprache reden und sich auch
alle verstehen werden.44 Nun ist aber die Entwicklung der
Kulturmenschheit an diesem Punkte angelangt, wo bereits
alle durch Spezialstudien gefundenen Wahrheiten die konvergierende
Tendenz zeigen, das Leben zu erklären und zu
verschönern, einen gemeinsamen Herd zu errichten und
von diesem geistigen Mittelpunkt aus die ganze Erde zu
beleuchten. Diese neue Synthese, welche die moderne
Menschheit nach dem Verfall der Kirche verlangt, muß
einfach sein, wie alles Große und Schöne, mächtig wie alles
Wahre, eindrucksvoll und überwältigend wie alles Gerechte.
Sie muß den Anforderungen des sittlichen und geselligen
Lebens, vor allem aber der Wissenschaft entsprechen.
Sie muß in alle Stände und Kreise der Gesellschaft eindringen
, alle ZwTeige des menschlichen Wissens umfassen
und allen höheren Bestrebungen eine gemeinsame Basis
geben. Die Zentraiphilosophie des Universalismus, die das
XVarum des Lebens erklärt und alle Modalitäten des Lebens
in eine Art Universal - Credo zusammenfaßt, einen wissenschaftlich
begründeten Glauben, wie ihn Positivisten wie
Idealisten von jeher vorgesehen haben, wird auch die soziale
Frage in einem modernen Aufschwung zum Ideal
einer neuen Zeit trotz aller finsteren, dem Fortschritt entgegenwirkenden
Mächte zur Lösung bringen. — Die 1848
von Fourieristen und St.-Simonisten begründete und am
(5. Oktober 1906 neu konstituierte „Union ^clectique uni-
versaliste* umfaßt die rein menschlich tätige Gruppe „Con-
federation humanitaire internationaleK und die einen Anschluß
an positivistische, monistische und transformistische
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