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76 Psych. Studien. XXXVIII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1911.)
Die Memoiren der Du Barry.
Die „M&noires de Madame la Comtesse Du Barri*,
der letzten Maitresse Ludwigs XV., sind erschienen in Paris
1829—30; sie sind anonym geschrieben von E. L. de la
MotteHoudaneourt, dem nachmaligen delaMotte
Langon. In der Vorrede zur 2. Auflage 1829 kennzeichnete
er die Memoiren selbst nur als „historischen
Roman"; in einer Nachschrift zu Band IV (S. 450 f.) erklärt
er aber, daß er sich durchweg an die originalen Aufzeichnungen
gehalten und nur deren Sprache modernisiert habe.
Eine „Histoire de Madame Du Barry* hat Charles
V a t e 1 (Versailles 1883, 3 Bände) geschrieben. Am Schlüsse
gibt er eine Bibliographie, in der auch die „M&noires"
von La Motte Langon angeführt sind. Dazu macht
er die Anmerkung, daß Baint-Cricq, der 1829 Staats-
miuister war, sie dem Grafen von A r t o i s vorgelegt habe,
der damals König von Frankreich war (Karl %.). Dieser
habe nach Durchsicht der Bände erklärt, daß man keine
treuere Schilderungen der Ereignisse jener Zeit haben könne,
als diese Memoiren. Darin wird das Folgende, abweichend
von La Harpens Erzählungen, angegeben. Die Memoiren
sind in Form von Briefen der Du Barry an Monsieur
y de V. ausgearbeitet, dabei jedoch in lebhafter und drama-
\ tischer Darstellung. So schreibt dort (Bd. VI, S. 341) die
Du Barry:
„Dann erzählte mir die Herzogin de Grammont,
eines Abends, als sie C a z o 11 e in einer großen Gesellschaft
getroffen habe, sei man in ihn gedrungen, die Planeten zu
befragen nach dem Schicksal der Anwesenden. Dies habe er
* durchaus abgelehnt und j ede nur erdenkliche A usflucht gesu cht.
. Jedoch als man unbedingt die Wahrheit habe wissen wollen,
, wsei soviel herausgekommen: daß kaum Einer von der ganzen
-f;. 1 Gesellschaft einem gewaltsamen und öffentlichen Tode ent-
'< < gehen werde, und daß auch der König und die Königin
fs . nicht ausgenommen sein würden.*
u ' Der Ausdruck „die Planeten befragen" ist bezeichnend
für die gänzliche Unwissenheit auch der sogenannten „ GebildetenÄ
in allen Dingen, die über das Sinnliche und
Materielle hinausgehen. Sie kennen nur die Ausdrucksarten
der Charlatans, die sich in die Öffentlichkeit drängen.
Selbstverständlich hat Cazotte als Martinist sich nicht
mit den „okkulten Künsten", wie Astrologie, befaßt; auch
gebraucht der geübteste Astrolog wenigstens einige Stunden,
um oberflächlich das Horoskop eines Menschen stellen zu
können; dazu braucht er auch die Ephemeriden und andere
Nachschlagebücher. Ein General-Horoskop jedoch für eine
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