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Kaindl: Die physiologischen Grenzen der Gesichtshalluzination. 97
Medium „Mittel") zwischen dem supraliminalen Bewußtsein
und der spirituellen oder geistigen Welt zu betrachten,
kann ich mich doch nicht damit einverstanden erklären,
daß, wie viele unserer psychischen Forscher behaupten, es
seine Aufgabe oder Neigung wäre, das supraliminale Ich
gewohnheitsmäßig zu täuschen und zu betrügen.
Hier wird man, wie mich däucht, den Einwand erheben
, daß es nunmehr allgemein bekannt ist, daß ein jeder
Gedanke, welcher einem hypnotisierten Subjekt von seinem
Hypnotiseur eingeprägt wird, in irgend einer Form von
sensorischem oder motorischem Automatismus im
Wachen wieder auftauchen kann. Doch kann das subli-
minale Bewußtsein von dem Vorwrurf des Betruges wieder
gereinigt werden, wenn wir annehmen, daß es nur seine
rechtmäßige Funktion erfüllt, indem es dem supraliminalen
Bewußtsein eine Botschaft übermittelt oder darstellt, welche
dasselbe bereits von dem inkarnierten Geist des Hypnotiseurs
(zweifellos durch sein subliminales Bewußtsein)
empfangen hat, so daß die dem subliminalen Bewußtsein
des Empfängers dei posthypnotischen Suggestion zur Last
gelegte Schuld des Betruges nicht an ihm haften bleibt,
sondern an dem Hypnotiseur, welchei, falls überhaupt ein
absichtlicher Betrug vorliegt, allein dafür verantwortlich
zu machen ist. überdies wird von Dr. Milne Bramwell
und anderen Forschern, welche die Suggestion von einem
psychischen Gesichtspunkte aus betrachten, besonders hervorgehoben
, daß die Einwilligung des subliminalen Ichs
zur Täuschung der supraliminalen Sinne, sowie seine Mitwirkung
hierbei im Grunde genommen bloß scheinbar
sind; das subliminale Ich scheint sich der harmlosen Natur
der Experimente völlig bewußt zu sein; und, falls eine
wirklich schädliche oder schlechte Suggestion eingegeben
wird, wird sich das subliminale Ich (wenigstens bei einem
moralisch veranlagten Subjekte) weigern, sie auszuführen.
Das subliminale Ich wird es zulassen, daß das Subjekt
Zucker, den man ihm als Gift suggerierte, in seiner Mutter
Teetasse gibt; es weiß, daß es bloß Zucker und nicht Gift
ist, obgleich das Subjekt sich dessen nicht bewußt sein
mag. Daß das subliminale Ich vernünftiger ist als das
supraliminale und tatsächlich mehr weiß und mehr wahrnimmt
als dieses, das ward durch den von Miß Johnson
beschriebenen und von Myers in seiner „Human Personality
* (I, S. 449) angeführten Fall in einer auffallenden
Weise bestätigt. Hierbei wurde dem Subjekte P, welches
von Mr. G. A. Smith hypnotisiert wurde, gesagt, daß von
acht gewöhnlichen Spielkarten, welche nur auf einer Seite
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