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108 Pspch. Studien. XXXVIII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1911.)
Berlin ausgestellt waren, wurden sie vielfach bewundert,
aber dann wieder vergessen. In Deutsehland fehlen die
reichen Leute, welche sich für diese Phänomene interessieren
und die nötigen Mittel bieten, ein Medium sorgenfrei zu
halten, um diese psychologischen Rätsel tiefer zu studieren.
Und doch ist nichts interessanter und wichtiger, als die
Lösung dieser Probleme, welche uns zugleich der Lösung
des Menschenrätsels näher bringen würden. Freilich solange
sich wissenschaftlich Gebildete mit der Phrase zufrieden
geben, daß hier nichts andere? vorliege, als ein
plötzlich ausbrechendes krankhaftes Talent, das jahrelang
versteckt im Gehirne des sogenannten Mediums geschlummert
habe, so lange kann man nur wenig Fortschritt
in dieser Forschung erhoffen. Man muß den Phänomenen
ohne jedes Vorurteil in's Gesicht sehen und nicht „ all es
ah pathologisch behandeln, das vom normalen Typ der
menschlichen Natur, wie man ihn nach dem Modelle der
eigenen Persönlichkeit begreift, abweicht."
Wie ich schon im Falle Aßmann gezeigt habe,*) ist
die Erklärung des Phänomens des automatischen Zeichnens
und Malens bis heute der Forschung nicht gelungen.
Sicher ist nur, daß das in natürlichem Wachbewußtsein
befindliche Medium nicht imstande ist, die Bilder herzustellen
. Es hat hierzu weder die Phantasie, noch das Talent,
noch die technische Fertigkeit. Bei Machner trat dies
positiv zu Tage, als er von Freunden überredet, die
Akademie in Berlin aufsuchte, um sich in der Malerei
auszubilden. Schon nach wenigen Lektionen mußte er den
Versuch aufgeben. Er brachte es nicht über das bescheidenste
Können hinaus; es war ihm unmöglich, nach
dem Modell zu malen oder zu zeichnen und er verließ die
Kunstschule, um wieder frei unter der Inspiration des
„Geistes* zu arbeiten. Er ist nur Künstler, wenn*er
im Banne einer geheimnisvollen Macht sich fühlt, die ihn
in visionären Zustand versetzt. (Es handelt sich offenbar
um eine Art larvierten Trance.) Wenn manche seiner
Kritiker, die vom Okkultismus und dessen Forschungsergebnissen
nichts wissen, meinen, es handle sich um „stark
bildnerisches Talent mit einem sehr ausgebildeten Gedächtnis
% oder um „eine in wilden Galoppsprüngen durchgehende
Erfindungskraft ohne geistiges Gleichgewicht,
ohne heilsame Zügelung" usw., so sind sie sehr im Irrtum.
Wenn jedes exaltierte Talent solche Leistungen unter denselben
Bedingungen hervorbringen könnte, dann müßten
) „Psych. Studien« 1910, S. 545
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