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114 Psych. Studien. XXXVIII. Jahrg. 2. Heft . (Februar 1911.)
Grades von Willensstärke, Selbstüberwindung und Selbstlosigkeit
, also moralischer Güter, zum Zwecke hatten.
Fragen wir uns jedoch: Ist eine solche Geheimhaltung
in unserer Zeit der Öffentlichkeit noch möglich ?, so müssen
wir diese Frage entschieden verneinen. Was heutzutage
das Licht der Öffentlichkeit nicht verträgt, ist wert, daß es
zugrunde geht. Auch stehen wir heute, wie das Beispiel du
PrePs zeigt, diesen Dingen mit einem ganz anderen psychologischen
und wissenschaftlichen Rüstzeuge gegenüber als das
Altertum. Wir sind dadurch in den Stand gesetzt, die scheinbar
absurden Erscheinungen des Okkultismus wenigstens
teilweise psychologisch oder naturwissenschaftlich zu verstehen,
wodurch einer abergläubischen Auslegung derselben vorgebeugt
wird. Wer sich dieses Rüstzeug nicht aneignet oder
in Selbstüberhebung und Eigendünkel nicht aneignen will,
trotzdem aber auf diesem Gebiete sich praktisch betätigen
zu können vermeint, nun, der muß eben die Folgen seiner
verkehrten Handlungsweise auch tragen.
Noch so manches Opfer wird ohne Zwreifel der mißverstandene
und falsch, d. h. zu selbstsüchtig materiellen Zwecken
angewandte Spiritismus fordern. Wir Okkultisten müssen das
als etwas Unvermeidliches mit in den Kauf nehmen und der
Hoffnung leben, daß schließlich eine erleuchtete Staatsgewalt
die Sache einstmals selbst in die Hand nehmen und regeln
wird. Um dies Ziel zu erreichen, ist aber vollste Öffentlichkeit
der Erörterung unbedingt nötig. Je früher daher dieses
bisher gemiedene Gebiet in das volle Licht der Wissenschaft
gerückt wird, desto besser ist es für die Allgemeinheit. Der
Staat aber wird nicht eher eingreifen, als bis bedeutende
Männer der Wissenschaft ihre Stimme dafür erhoben haben.
Davon sind wir leider heutzutage, wenigstens in Deutschland
, noch weit entfernt. Wir müssen uns mit den Lichtseiten
des Okkultismus begnügen, die ja, Gott sei dank,
auch nicht fehlen, sowie mit dem Bewußtsein, daß wir in
selbstloser Arbeit der Wahrheit dienen und unsere Pflicht
im Sinne des geistigen Fortschritts der Menschheit gewissenhaft
erfüllen. So manches arme, hoffnungslose, von einem
scheinbar erbarmungslosen Schicksale niedergeschmetterte
Menschendasein hat sich schon an dem Tatsachengerüste
des Okkultismus wieder emporgerankt und neuen Halt,
neue Hoffnung gewonnen, wo Kirchentum und religiöse
Zuspräche allein sich als machtlos erwiesen. So mancher
schon verzweifelnde Wahrheitssucher hat hier den Born
gefunden, der Gemüt und Verstand in harmonischer Weise
erquickt und befriedigt. Möge die Zahl der so „Geretteten*
auch im neuen Jahre zunehmen!
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