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120 Psych, Studien. XXXVIII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1911.)
Klima und die Umgebung, an welche sie gewöhnt sind,
spielen dabei entschieden stets eine große Rolle! Hoffentlich
haben die Erörterungen über die Bailey-Affäre nun ein
vorläufiges Ende und werde ich nicht weiter genötigt, noch
andere Aufklärungen zu geben.
Los Angeles CaL, Nov. 1910. Prof. Willy Reichel.
Seelenkultus der Hellenen.
Mitgeteilt von Dr. med. Freudenberg (Brüssel).
In der Brüsseler „Universit£ libre% welche im verflossenen
Jahre unter der Anteilnahme der ganzen europäischen
und amerikanischen Gelehrten weit ihr 75 jähriges Stiftungsfest
feierte, eröffnete dieser Tage der rühmlichst bekannte
Lütt icher Professor Charles Michel eine Reihe von Vorträgen
über die Geschichte der religiösen Ideen. Der als
Gast auftretende gelehrte Redner hatte zum Gegenstand
seiner Ansprache den „ Heroönkultus in der Volksreligion
des alten GriechenlandsÄ gewählt und
machte die nachstehenden allgemein interessanten Ausführungen
:
Der Heroenkultus entstammt unmittelbar dem Kultus
der Toten, dem Animismus,*) welcher sich im Ursprung
aller Religionen findet. Bei den Griechen der allerältesten
Zeit lebte die Seele nach dem Tode fort; sie stieg hinab
zu dem Aufenthaltsort der unterirdischen Götter, durch
welche eine finstere Macht auf sie selber überging. Deshalb
fürchteten sich die alten Hellenen vor den Geistern der
Abgeschiedenen und bemühten sich, sie durch rituelle
Ehrenbezeigungen, welche sie peinlich innehielten, zu versöhnen
. Sie schmückten ihre Gräber und legten auf denselben
Kleinodien, Waffen und Kleidungsstücke nieder, kurz, sie
beobachteten tausend Formalitäten, von denen auch heute
noch, wie Redner mit Humor nachwies, bei den meisten
Völkern der ganzen Welt sich Spuren finden.
Jedoch beim Fortschritt der Zeit und Geistesbildung
wandelten sich diese Furchtempfindungen allmählich in
eine sanfte und stille Trauer um. Der Totenkultus nahm
eine edlergestaltete Form an. Man bezeigte nach wife
*) Hier im Sinne der ethnographischen Wissenschaft
Seelenkultus der Verstorbenen, während bekanntlich
Aksakow damit — im Gegensatz zum Geisterglauben des
„Spiritismus44 — unbewußte psychische Phänomene bezeichnet, die
sich außerhalb der Grenzen aer körperlichen Sphäre eines Mediums
als höchste Manifestation der psychischen Verdoppelung erzeugen.
— Red.
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