http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0155
Reichel: Meine Erlebnisse in Costa Rica
151
»Vor einiger Zeit, als wir in der Nachbarschaft von
Senor Don Buenaventura Corral&s wohnten, kam OMia,
dessen Tochter, in unsere Wohnung mit der Bitte, daß ich
in einer der nächsten Nächte zum Photographieren in ihr
Haus kommen möchte. Als ich das ohne Erlaubnis meiner
Mutter abschlug, sprach OMm mit meiner Mutter und,
nachdem sie deren hartnäckigen Widerstand, da ihr der
Wunsch, mich nachts zu photographieren, sehr seltsam und
verdächtig erschien, besiegt hatte, gab ich ihrem Wunsche
nach. — Ich muß bemerken, daß Of£lia, um die Art und
Weise, wie meine Photographie genommen werden sollte,
zu erklären, Etwas anbrannte, was ein sehr helles Licht
verbreitete, und um unsern Zweifel zu beseitigen, sagte,
daß ich pbotographiert werden sollte, weil ich mit einem
Kind Namens „Iris" *) große Ähnlichkeit hätte, das ich aber
nicht kannte.
Zur verabredeten Zeit ging ich nach dem Hause von
Herrn Corrales .und OMia ließ mich durch eine Hintertür,
Stillschweigen befehlend, in das Haus ein. Wir erreichten
ein kleines dunkles Zimmer. Sie**) machten Licht, und
begannen mich zu arrangieren. Sie kämmten mich in einer
seltsamen Art, die Haare hoch, und legten mir einen Schleier
um den Kopf, welcher auch mein Gesicht bedeckte. Da
ich Schuhe anhatte, die knarrten, wünschten sie,, daß ich
solche ausziehen solle; doch da ich darauf bestand, das
nicht zu tun, ersuchten sie mich, auf den Zehen zu gehen.
Sie ließen mich mit ein oder zwei Kindern in dem kleinen
Zimmer, worauf OMia zurückkam und mich ersuchte, für
nichts in der Welt zu sprechen und alles zu tun, was sie
mir sagen würde. Ich wurde dann an der Hand in ein
anderes dunkles Zimmer geführt und auf einen Stuhl gesetzt.
Ich bemerkte bald, daß einige Personen anwesend waren
mit kleinen Lampengloeken, die mit Leuchtkäfern (auf
spanisch „bombillas") angefüllt waren, welche ein bleiches,
seltsames Licht verbreiteten. Sie näherten sich mir, zeigten
mir Licht und plazierten meine Arme und Hände in eine
besondere Stellung. Ich muß sagen, daß ich seit dieser
Zeit eine seltsame Schläfrigkeit fühlte, welche meinen Körper
und speziell meine Zunge lähmte***). Nach einiger Zeit
*) Vergl. gegen den Schluß über eine zweite angebliche Phantom-
photographie. — W. R.
**) Danach haben also Ofelia's Geschwister auch an dieser
Komödie teilgenommen! — W. R. [? — Red.]
***) Das klingt so ähnlich, wie ich einmal über die Geschehnisse
beim Vehmgericht der Camorra in Neapel las, und kann stärkere
Nerven, als solch junges Mädchen sie hat, ruinieren! — W. R.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0155