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Bormann: Zum Falle Cazotte-Laharpe. 175
später eine unechte Darstellung unterschob? Man sollte
doch meinen, die echten Weissagungen Cazotte's von 1788,
welche er ja jedenfalls, nachdem er den Bericht nach
Petersburg schickte, als etwas Außerordentliches in einer
Abschrift bewahrte, seien ihm zu wertvoll gewesen, als daß
er sie ändern mochte. Zudem gibt er in dem uns Uberlieferten
den Prophezeiungen eine bestimmte geschichtliche
Datierung, die sicherlich der Zeit der wirklichen Prophezeiungen
Cazotte's entsprach: nicht bloß 17 8 8, sondern
Anfang 1788. Daß im Nachwort von Laharpe das Wort
„supposer" keineswegs ohne weiteres „unterschieben* bedeutet
, wie „substituer", sondern nach dem Zusammenhange
ein anderer Sinn näher liegt, muß ich nach dem früher von
mir Erläuterten wiederholen: „Voilä le prodige rdel comme
la proph^tie n'est que suppos6e.Ä
Damit setzt Laharpe das „ reale Wunder" der
ungeheuerlichen handgreiflichen Tatsachen, wie sie geschehen
, dem anderen Wunder einer Prophetenstimme
gegenüber, das einzig auf inneren Vorgängen beruht, mithin
immer bloß etwas Angenommenes, Geglaubten,
Vorausgesetztes („supposäe") ist Laharpe faßt seine
Worte nun so: „Voilä le prodige r£el comme la prophötie
n'est que suppos£e.a Er schreibt nicht: „Voilä le prodige
v£ritablett, wozu „suppos£eÄ im Sinne von „untergeschoben*
im richtigen Gegensatz stände, sondern „ r 6 e 1tf. Es ist ihm
deutlichst darum zu tun, einen Glauben an das Wunder
von Prophezeiungen als eitel abzulehnen, wo man für das
Wunder der realen Geschichte keine Einsicht besitzt, und,
wenn er zugäbe, daß diese Prophezeiungen wirklich stattfanden
, so würde dies „das größte Unglück sein*, weil
dann auch dies „Wunder verloren ginge14 für die daran
Glaubenden, wie für „die anderen % d. h. die Ungläubigen,
falls jene wie diese blind bleiben für die Wunder der
Geschichte. So * schreibt Laharpe der Christ, wohl an die
Worte Christi gedenkend von der Wundersucht der Leute,
die dabei vom Geiste seiner Lehren nichts faßten. — »Sup-
poser* ist ja ein äußerst häufiges Wort der französischen
Sprache, fast immer in der Bedeutung von „Voraussetzen,
Annehmen". Es ist deshalb so häufig, weil die Franzosen
fast kein anderes Wort dafür haben, wie ich mich eben
noch im Wörterbuche von Mozin überzeugte. „Prendre* ist
für die Bedeutung noch da, aber in andrer Verbindung.
So ist es durchaus natürlich, daß Laharpe hier das allein
für seinen Gedanken passende Wort brauchte, ohne überhaupt
an den anderen Sinn von „supposer" (= „substituer")
zu denken. Wenn Laharpe wirklich hätte sagen wollen,
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