http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0185
Bürk: Naturerscheinungen mit Geistern in Einklang zubringen. 181
Felsblock herabstürzten. Unter ihnen trieb senkrecht am
gleichen Felsen herab langsam triefend, spülend, ein dichtes
Polster von Quellmoos nährend, eine zweite Strömung, von
der durch die springenden Wasser zusammengedrückten
Luft zurückgehalten und an den Felsen gepreßt. Fließt das
Wasser wieder ruhig, so ergießt es sich in gleichmäßigem
Fall nach der Tiefe. — Ein andermal sitze ich am Tisch
und schnelle ein Piloschächtelchen auf der Tischplatte. Es
gleitet über die horizontale Fläche und kommt in drehender
Bewegung zurück. Diese Vorgänge sind mir ein Bild im
und auf den Menschen wirkender Kräfte, insbesondere
des Dualismus in seinem Inneren. Die einen Kräfte sind
den frei aufspringenden, tosenden, strahlenden, die anderen
den drückenden, wühlenden, nagenden Wassern zu vergleichen
. Sie beeinflussen sich gegenseitig, einmal fördernd,
dann wieder hemmend. Bei gleichmäßig entwickelten Personen
tritt die Teilung nicht so sehr hervor, ebenso in
Zeiten ruhiger. Entwickelung. Um so schärfer tritt der
Gegensatz bei Personen mit ausgeprägtem Temperament zu
Tage. Solche Personen leiden vielfach unter dualistischen
Empfindungen, so daß sie oft rührende Klagen darüber
erheben. Paulus, ein Spiritist erster Güte, beschreibt diesen
Zustand Rom. 7 nach seiner moralischen und II. Kor. 12,
1—7 nach seiner physiologisch-psychischen Seite. Bei Medien
findet der Gegensatz in der Erscheinung von zweierlei
Geistern seinen Ausdruck Die Seherin von Prevorst
hat ihre weiße, freundliche Führerin und ihren schwarzen
Jäger. Bei der Gottliebin von Möttlingen ist Pfarrer Blum-
hard das helle Licht, dem sie nachläuft, um Schutz und
Hilfe gegen den bösen (finstern) Geist zu finden. Das
Mädchen von Orlach hat ihre freundliche Führerin und
ihren dunklen Geist. — Beim Genie findet man Zeiten der
größten Niedergeschlagenheit und dann wieder einer außerordentlichen
Freudigkeit und Kühnheit (Paulus, Luther,
Napoleon I., Bismarck u. s. f.). Bei den wechselnden Strömungen
bekommen bald die oberen, bald die unteren Kräfte
der Seele die Oberhand, bei gleichmäßigem Druck halten
sie sich das Gleichgewicht. Verstopfe ich an einem Brunnen
eine Röhre, so werden die anderen um so flotter springen.
Drehe ich bei einer Mostpresse die Schraube auf, so fließt
der Saft reichlicher ab, da durch Nachlassen der Spannung
die Wirkung der Schwerkraft wieder mehr Gewalt bekommt
. Der ganze menschliche Organismus gleicht nach
Leib und Seele einem Staatswesen, in welchem sich die
einzelnen Stände nur selten im Zustand des Gleichgewichts
befinden. Insbesondere führen die herrschenden, ver-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0185