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184 Psychische Studien. XXXVIII. Jahrg. 3. Heft. (März 1911.)
menschlichen Körper verläßt? Woher kommt er? Findet
diese .Kraft" neue Verwendung im Weltall, oder bleibt
dieses »Wesen« ewig? Der Materialist sagt: es ist keine
Spur mehr von einem persönlichen Geist da, wenn sich
Körper und bewegendes Agens trennen. So wenig eine
Neuschöpfung ohne Begattung bei höher entwickelten Geschöpfen
stattfindet, ebenso wenig kann eine Seite des
Menschen ohne die andere bestehen. Der Spiritualist erkennt
das Vorhandensein ungebundener Geister an. Er
sucht seine Beweise in allerlei aus unseren Naturgesetzen
nicht zu folgernden Erscheinungen. Zu diesen gehören
u. a. die Leistungen von Medien auf fachwissenschaftlichem
Gebiet und dem der Kunst. Und doch finden wir auch
für die Erklärung solcher Tatsachen einen Fingerzeig in
der Natur. Nehmen wir das Malmedium Frau Aßmann
(vgl. den Aufsatz des Herrn Oberst Peter im 10. Heft der
v Psych. Stud." vor. Jahres) als Beispiel. Die Frau entwirft
Muster von künstlerischem Wert, ohne vor ihrer
Erkrankung und außerhalb ihres Trancezustandes einen
Stift geführt zu haben. Woher kommt ihr die Gabe?
Kommt sie aus ihr heraus» oder wird sie in ihr Inwendiges
hineingetragen? Ich glaube an beides. Aus dem II. Teil
der Abhandlung folgt, daß aus dem eigenen Innern neue,
ungeahnte Gaben hervorgehen können. In Frau Aßmann
muß eine ungewöhnliche Teilung und Gruppierung der
Kräfte vor sich gehen. Das beweist neben der merkwürdigen
Teilung des Zeichenbogens durch eine Diagonale
(Ähnlichkeit mit der Verschiebung der Projektion in der
Schrift vom Schlage Getroffener) ihr Zustand in anhaltendem
Trance. Anders gelagerte Stoffe (Atome) treten in neue
Beziehungen zu Kräften. Es entstehen neue Gestaltungen.
Die Natur schafft in der leblosen Welt Ähnliches. Man
denke an die Bildung von Eisblumen im Winter. Mir neu
waren in letzter Zeit wunderschöne Dendriten auf dem gefrorenen
Bürgersteig. Sehr überrascht war ich auch, als
ich vergangenen Sommer in einem geöffneten Weinfaß
prachtvolle Zeichnungen fand. Es war eine Art Blätterornamente
, ähnlich denen, die in den „Psych. Studtt Jahrg.
1910 S. 547 rechts, linke Hälfte dargestellt sind. Liegen
diese Formen in der Luft, im Weltall? Sind elektrische
oder ähnliche Ströme wie Wasserströme unsichtbar in unendlich
mannigfacher und doch einheitlich geordneter Formwandlung
begriffen, und fassen sie nur gewisse Stoffe?
Daß Ton-, Zahl- und Zeichenformen überall in unsichtbarer
Weise vorhanden sein müssen, beweist die Natur auf Schritt
und Tritt. Wie könnte sich beispielsweise aus einem Vogelei
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