http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0200
196 Psychische Studien. XXXVIII. Jahrg. 3. Heft. (März 1911.)
durch Metall konzentriert, fortgeleitet werden können gleich dem
elektrischen Strome, ja daß sie an Gegenständen, die dann als
Kondensatoren gelten, gleich der Elektrizität gesammelt und festgehalten
werden können. Damit war ihm die Verwandtschaft von
Gedanken und Elektrizität gegeben. Da nun Hertz die Verwandtschaft
von Licht und Elektrizität nachgewiesen hat, hindert Giese
nichts, Licht, Gedanken und Elektrizität in eine Reihe zu bringen,
zumal da v. Reichenbach's Untersuchungen und deren Nachprüfung
durch Prof. Büchner, Prof. Rapp und Dr. Ranke ergeben haben, daß
das polare Od Lichterscheinungen erzeugt, des Od, das alle Lebensvorgänge
begleitet oder gar erst ermöglicht. Darnach wären Licht,
Gedanken und Elektrizität nur drei Erscheinungsformen ein und
derselben Urenergie, und diese nennt Giese „Undanismus"; der
Unterschied von Licht, Gedanken und Elektrizität bestände dann
lediglich in dem Unterschiede der Wellenlängen (und der Schwingungszahlen
). Gegen die ganze Theorie läßt sich viel einwenden,
eine Entgegnung würde aber zum mindesten denselben Raum wie
die ganze Schrift beanspruchen. Am meisten zu rügen sind voreilige
Schlüsse, so die Identifizierung der Gedanken selbst mit
Wellenbewegungen des Aethers; die ethischen Folgerungen, die
Giese zieht; die absolute Begrenztheit der Gedanken in der Welt
überhaupt und die von Natur begrenzte gedankliche Entwicklung
beim Einzelnen; die Gebundenheit des Denkens an Plasmaorgane.
— Und doch halte ich das Buch nicht für einen vollständigen Irrweg
; vielmehr scheint es einen der vielen Abwege zu bedeuten,
die zu manchen nicht uninteressanten und nicht unwichtigen Entdeckungen
und Erlebnissen führen und schließlich auf einem Umwege
das Ziel erreichen lassen. Es stecken ohne Zweifel eine Anzahl
guter Anregungen in dem Büchlein, die, aufmerksam auch
raktiseh erprobt und verwertet, manchen tieferen Einblick in die
ebensvorgänge verschaffen werden, wenn sie auch die Welträtsel
oder auch nur die wichtigsten Fragen unseres Seelenlebens nicht
lösen werden. Auf jeden Fall ist das Büchlein lesenswert; wer
kritisch bleiben kann, wird keinen Schaden davon haben.
Arthur Grobe -Wutischky.
Friedrich Nietzsche, eine intellektuale Biographie von Dr. S. F r i e d-
länder. Leipzig 1911. G. J. Göschen'sehe Verlagshandlung.
149 S.
Wer da glaubt, die Veröffentlichungen über Nietzsche seien
neuerdings nicht mehr so zahlreich wie früher, der kann sich aus
dem „Türmer" (Januar 1911, S. 554 u. ff.: „Ist Nietzsche wirklich
tot?" von Dr. Rieh. Oehler) überzeugen, daß er sich irrt. Darnach
sind allein im ersten Halbjahr 1910 11 deutsche Bücher über
Nietzsche erschienen, und in den 9 Jahren von 1901 bis inkl. 1909
im Ganzen 141 Werke, d. h. etwa 16 Bücher pro Jahr. Die Zahl
der Nietzsche-Verehrer ist — man sollte es nicht glauben — eher
im Zunehmen, als im Abnehmen begriffen, meint der genannte Gewährsmann
. „In allen Berufszweigen finden sich Menschen,"
schreibt Dr. Oehler, „die bewußt unter der Einwirkung dieser
Welt- und Lebensanschauung stehen; es gibt gegenwärtig Aerzte,
die täglich Kraft und Liebe zu ihrem schweren Beruf im Dienste
der leidenden Menschheit aus der Begeisterung für Nietzsche's
Gedankenwelt schöpfen; es gibt Juristen, die seine allgemeinen
Grundsätze in der Praxis des Rechtsprechens anzuwenden suchen;
es gibt Offiziere, die ihr tätiges Handeln durch diese Lebensauffassung
vertiefen; es gibt Pädagogen, Gelehrte, Künstler, Theo-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0200