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280 Psychische Studien. XXXVIII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1911.)
Phantomen, über deren Geschlecht kein Zweifel obwalten
kann, indem sie mit bärtigen Gesichtern und in den Alltagskleidern
ihres Erdenlebens und ohne eine Spur von
Flügeln erscheinen.
Auch dürfen die zahlreichen Fälle nicht außer acht
gelassen werden, worin von Tieren berichtet wird, bei
welchen untrügliche Anzeichen vorhanden sind, daß sie Erscheinungen
erkennen,*) wie in dem Fall Morton und in
*) VergL Dez.-Heft v. J , K. Not. 1), S. 722 — Da ich der
Ansicht bin, daß es zur Beurteilung der Spukphänomene, welche
in unserer „aufgeklärten" Zeit noch immer als großer Aberglaube
betrachtet und dementsprechend behandelt werden, für den Leser
dieser Zeitschrift ungleich wichtiger und zweckdienlicher ist, zu
wissen, wie sich Tiere solchen Erscheinungen gegenüber verhalten
, als gewisse kritische Abhandlungen über diesen Gegenstand
zu kennen, die nur bezwecken, alle diesbezüglichen Berichte
dadurch völlig zu entwerten, daß sie in Bezug auf Exaktheit der
Beobachtung an menschliche Zeugenschaft derart überspannte Anforderungen
stellen, daß deren Erfüllung im besonderen konkreten
Falle zu einem Dinge der Unmöglichkeit wird und zünftige Wissenschaft
so niemals in die Lage kommen kann, diese ihr unbequemen
Tatsachen anerkennen zu müssen, so will ich aus dem ziemlich
umfangreichen Bericht der Miß R. C. Morton auch noch jene Stelle
hier anführen, welche auf den obenerwähnten, mir als wichtig erscheinenden
Umstand Bezug hat. Dieselbe lautet: „Wir haben
guten Grund, anzunehmen, daß die Erscheinung von unseren
Hunden gesehen wurde: 1) Ein langhaariger Apportierhund („re-
trievei"), der in der Küche schlief, wurde von der Köchin, wenn
sie des Morgens in die Küche ging, zu verschiedenen Malen in
einem Zustande von Furcht und Schrecken angetroffen. Man sah
ihn auch mehr als einmal völlig verschüchtert und mit dem Ausdrucke
des Entsetzens aus dem Obstgarten kommen. Er genoß
eine durchwegs freundliche Behandlung und war keineswegs ein
scheuer Hund. 2) Ein kleiner „Skye - Terrier" (von der Hebriden-
insel Skye), den wir später bekamen und der gewöhnlich unter
meinem Bette schlief, hörte die ohne Zweifel gespenstigen Fußtritte
, die öfters an der Thvre vorüberkamen. Ich hatte einmal,
und zwar am 27. Oktober 1887, Gelegenheit, dies zu beobachten.
Der Hund litt damals an rheumatischen Anfällen und scheute jede
Bewegung; als sich jedoch jene Fußtritte vernehmen ließen, sprang
er auf und schnüffelte an der Thüre. Zweimal sah ich diesen
Hund, wie ich mich bestimmt erinnere, plötzlich zu der Strohmatte
hinlaufen, die sich im Hausflur am unteren Treppenende befindet,
wo ich ihn mit dem Schweife wedeln und den Rücken krümmen
sah, wie Hunde zu tun pflegen, wenn sie Liebkosungen erwarten.
Er sprang sodann empor und schmiegte sich an, gerade so, wie er
es machen würde, wenn eine Person dort gestanden hätte; auf
einmal jedoch schlich er sich, den Schweif zwischen die Beine geklemmt
, von dannen und verkroch sich unter ein Sofa. Wir
standen alle unter dem Eindrucke, daß er die Gestalt gesehen
haben mußte. Sein ganzes Gehaben war überaus seltsam und für
den Beschauer ungleich eindrucksvoller, als es sich durch eine
Schilderung wiedergeben läßt." Das hier beschriebene Gebahren
des Hundes erinnert lebhaft an das, was Dr. Wötzel über das Ver-
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