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Kaindl: Die physiologischen Grenzen der Gesichtshalluzination. 281
jenem interessanten Fall, den Andrew Lang im „Journal
der S. P. R." vom April 1909 mitteilt. —
Derartige Erscheinungen sind in den Berichten der S.
P. R. durchaus keine Seltenheit; es finden sich darin aber
auch Fälle, wo von Perzipienten auf Wänden, Vorhängen
etc. Flachbilder gesehen werden, die den Anschein gewähren,
als wären sie dorthin projiziert worden. Diese werden bisweilen
nur von einer Person, manchmal aber auch von
mehreren Personen zugleich wahrgenommen, wie z. B. im
Falle des Kapitän Towns, wo von nicht weniger als acht
Zeugen beiderlei Geschlechts auf einem Felde der Täfelung
des Kleiderschrankes eine dem Bilde auf einem Medaillon
ähnliche Erscheinung beobachtet wird. (S. „Phantasms of
the Living", Vol. II, p. 213.) Dieser Fall gehört offenbar
in die Klasse der kollektiven Krystall-Visionen. —
Die annehmbarste, sich gleichsam von selbst aufdrängende
Erklärung der Tatsache, daß Erscheinungen,
halten seines Hundes gelegentlich einer Erscheinung seiner Frau
berichtet, weshalb auch noch die betreffende Episode dieses Falles
hier angeführt zu werden verdient: „Ohngefähr sechs Wochen nach
dem Tode seiner Frau saß er mittags um t Uhr, nachdem er vom
Tische aufgestanden, auf dem Sopha, neben ihm sein Hund. Da
hörte er jemand leise über den Vorsaal kommen; er dachte, es sei
die Aufwärterin, welche gbräumen wolle. Der Hund pflegte
sonst, wenn jemand kam/stets anzuschlagen, auch wenn es
die Aufwärterin war; diesmal aber spitzte er bloß die Ohren.
Da öffnete sich die nur angelegte Thüre und die Verstorbene
erschien. Sie stand kaum einige Schritte weit von ihm in
ihrer ehemaligen Gestalt, mit demselben weißen Gewände und
mit freundlichem Blicke ihre schon gethane Aussage wiederholend,
mit dem Zusätze, daß sie mehr zu offenbaren gehindert sei; dann
sagte sie: „„Lebewohl, auf Wiedersehen !ua Sie schien beim Sprechen
die Lippen kaum zu bewegen, ihre Worte schienen pfeilschnell
aus den sanft geöffneten Lippen zu schießen. Die Gestalt schien
jetzt weniger durchsichtig zu sein, als in der Nacht, ja selbst die
Thüre hinter sich zu decken. Er wollte sie fassen, da ward sie
plötzlich unsichtbar. Er öffnete rasch die Thüre und untersuchte
aufs neue alles, ohne Etwas entdecken zu können. Von größter
Merkwürdigkeit war das Benehmen des Hundes. Er bellte weder
vor, noch während der Erscheinung; er sprang freudig vom Sopha
herab zu ihr hin und um sie herum, und winselte, wie er sonst
gethan, wenn die Verstorbene ausgegangen war, ohne ihn mitzunehmen
, und dnn wieder zurückkam, als wenn er sagen wollte:
„„Ei wie lange bist du weggeblieben und hast mich nicht mitgenommen
!'4" Auch nach dem Verschwinden der Gestalt bellte er
nicht, sondern lief mit Wötzel zur Thüre hinaus, blieb an der
Kammer, wo seine Herrin gestorben war, stehen, winselte und
wollte hinein. Wötzel öffnete sie, er sprang auf das Bett der Verstorbenen
und klagte, als er sie auch hier nicht fand. Er schien
sie überall zu suchen und wollte mehrere Tage nicht fressen, wiewohl
er vorher guten Appetit gezeigt und nicht krank gewesen."
(Daumer, „Das Geisterreich," I. Band, S. 266 267. K.
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