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Kaindl: Die physiologischen Grenzen der Gesichtshalluzination. 283
gesetzt, daß es gelänge, den beklagenswerten Faktor des
Betruges ganz auszuschalten, um von der Erwartung des
Betruges, welche viele Forspher so auffallend charakterisiert
, ganz zu schweigen, so ist doch kaum ein Grund
aufzufinden, der dazu berechtigen würde, eine Grenzlinie zu
ziehen, um die auf der ganzen Welt vorkommenden spontanen
Phänomene, wovon die S. P. R. eine solche Menge
angesammelt hat, von den wohlbezeugten Phänomenen des
Spiritualismus abzusondern.
Es ist ein Bestreben vorhanden, von Zeugen spiritistischer
Phänomene, und sogar dann, wenn Professionalismus
(Erwerbstätigkeit) dabei ausgeschlossen ist, einen viel
höheren Grad von Ubereinstimmung zu fordern, als man
im Falle spontaner Phänomene jemals beansprucht. Ja
man verlangt verhältnismäßig viel mehr, als sich folgerichtig
erwarten läßt, besonders wenn wir annehmen, daß
die Phänomene zum Teil objektiv und real sind, und andererseits
, um deutlich wahrgenommen werden zu können, in
vielen Fällen eine Hyperästhesie des Gesichtssinnes erheischen
. *) (Schluß folgt.)
tnan sich wundern muß, wie man sie noch immer bestreiten mag""
(Zitat aus Horst). „Das i$t im Jahre 1830 gedruckt. Die kluge
Welt ist noch jetzt (1867) nicht geneigter, dergleichen Dinge einzuräumen
. Wenn der Mensch Etwas nicht glauben will, so
überzeugen ihn auch „„ganze Wolken von nicht zu bezweifelnden
Thatsachen"" nicht." „„Die sogenannte Aufklärung, der Rationalismus
und Materialismus, sind so gut dogmatischer Natur, als
ein religiöses und theologisches System. Denn das Alles ruht
nicht auf reiner, unbefangener Intelligenz und Vernunfthätigkeit,
ist nicht nur Sache des Wissens und der Einsicht, indem sogar die
evidenteste Erfahrungsthatsache abgewiesen wird, wenn sie den
erwähnten Denkarten widerstrebt. Es ist Willenssache,
Meinungseigensinn und Meinungstyrannei, Fanatismus
und Terrorismus der Verneinung, und um
kein Haar besser, als der so hart verklagte Fanatismus und Terrorismus
des positiven Extrems."" —
*) Vielleicht ließe sich die so rätselhafte Erscheinung des
„zweiten Gesichts" auf ähnliche Weise erklären, nämlich dadurch,
daß man sie einerseits auf Hyperästhesie des Gesichtssinnes eines
Perzipienten und andererseits auf die gleichzeitige Wirksamkeit
eines Agenten zurückführt, der einen divinatorischen Traum hat
und ihn örtlich objektiviert. Hiernach würde das Phänomen des
„zweiten Gesichtes" dadurch zustande kommen, daß ersterer zum
Zeugen solcher, mehr oder weniger konsistenter, veräußerlichter
prophetischer Traumgebilde wird. Ein Fall, wie folgender, den ich
P e r t y („Der jetzige Spiritualismus", S. 205) entnehme und der ihn
aus Daumer zitiert, verleiht obiger Erklärung einen Grad von
Wahrscheinlichkeit. „In Daumer's „Reich d. W. u. G.", S. 100,
steht ein sehr interessanter Fall von dem ekstatischen Besuch einer
Lebenden bei einem Kinde, das, anscheinend ganz gesund, etwa
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