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Gedankenleser in München.
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auf die Hilfen der ahnungslosen Dame. Warum spornt
denn Andrejs andauernd seinen „Induktor* zu intensivem
Denken an? Nicht, damit die „ Gedankenstrahlen * wirksamer
werden, sondern damit die ideomotorischen Bewegungen
, die bei angespanntem Denken kein Mensch unterdrücken
kann, ausgiebiger werden. Mit einem Herrn, der
offenbar ein großer Phlegmatiker war, konnte Andrej^
nichts anfangen. Er konnte „seine Gedanken nicht genügend
konzentrieren*, d. h. in unserer Sprache, seine
„Hilfen* waren zu schwach. Übrigens hat auch Leo
Erichsen vor etwa einem Jahre diesen ganzen Erscheinungskomplex
bei seinen Experimentalvorträgen recht
gut erklärt und zur Darstellung gebracht. [? Red.J
Obwohl mir Andrej e nach der Vorstellung vollkommen
zugab, daß er lediglich mit Hilfe seiner Intelligenz, wie er
sagte, gearbeitet habe, d. h. mit gutgeschulter Zusammenarbeit
von Beobachtung, Scharfsinn, Menschenkenntnis und
Kombination, so sprach er sich doch dahin aus, daß sich
auch bei seinen Experimenten mancher Erfolg nicht anders
als durch echte Gedankenübertragung erklären lasse. Er
lehnt aber jede Möglichkeit der Ubermittelung abstrakter
Begriffe — woran man jedoch nach den Kotik'sehen Versuchen
nicht mehr zweifeln kann — für seine Person ab
und läßt sich nur auf die Übertragung von Handlungen
ein, wobei ihn die vielfachen Hilfen des Publikums, insbesondere
des „Induktors*, unterstützen.
Ich stimme mit Dr. Dessauer (vgl. „Münchner Neueste
Nachrichten", Nr. 147) darin überein, daß es tatsächlich das
Phänomen der unmittelbaren Gedankenübertragung gibt —
ich habe Kotik erst kürzlich in den „Dokumenten des
Fortschritts", Februar 1911, gegen unberechtigte Angriffe
von Prof. Dessoir und Dr. A. Moll verteidigt, — aber daß
bei so groben Versuchen, wie sie auf der Vari£t£ - Bühne
zur Darstellung gelangen, davon keine fiede sein kann, das
wird man wohl zugeben müssen.
Graf Carl von Klinekowstroem,""*)
*) Mit Bezugnahme auf die nachträglichen Bemerkungen des
Herrn Grafen zu dem Artikel: „Bellini in München" (s. Fußnote auf
S. 249—251 im vor. Heft) schreibt uns Herr Dr. W. Bormann, dat.
München, 10. April): „Daß Freiherr v. Sehn, und Graf K. gerade
im Verwickelten der Aufgaben, die übrigens Bellini doch
nicht selbst erdachte, Verdachtsgründe finden, ist m. E. mehr als
verwunderlich! Hier handelt es sich doch auch nicht um bloße
Wiedergabe von Zahlen, wie beim „klugen Hans" als Resultat,
sondern um lange Aufträge und deren detaillierte Ausführung
. Und da sollte das Leichtere schwieriger, das Schwierigere
leichter sein! Begreife das, wer mag!" — Die ausführliche Ant-
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