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290 Psychische Studien. XXXVIII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1911.>
Die Nr. 162 vom 6. April brachte sodann eine eigene,
sehr wertvolle Erklärung des neuesten Gedankenlesers. Sie
lautet: „Gedanken übertr agung oder Gedankenlesen
? Der durch sein erfolgreiches Auftreten
bei Benz hier rasch bekannt gewordene Gedankenleser
Andreje schreibt uns; „„In Nr. 147 der „Münchner Neuesten
Nachrichten'* befindet sich eine Kritik über „Gedankenübertragung
", unterzeichnet mit Dr. A. D. So sehr ich auch
die Kritik im allgemeinen gerecht finde, muß ich mich doch
gegen eine Äußerung verteidigen und zwai folgende: „Ich
hätte nur von ihm am wenigsten gerne den Satz geh<5rt:
„Gedankenübertragung gibt es nicht."" Diesen
Satz habe ich meines Wissens nicht ausgesprochen! Sollte
ich mich jedoch falsch ausgedrückt und Dr. A. D. den
Satz so verstanden haben, so bitte ich um folgende Richtigstellung
durch diese Erklärung: Ich benenne meine Experimente
des Gedankenerratens „Induktions- oder Suggestions-
Telepathie"; damit will ich sagen: Gedankenübertragung
mit Uberleitung oder durch Willensbeeinflußung. Eine
Gedankenübertragung ohne Induktion oder Suggestion, oder
gegen den Willen des Individuums, gibt es meinem Erachten
nach nicht! Es ist auch bis dato noch nichts
Positives in dieser Richtung festgestellt worden und wTir
haben auch keine Beweise dafür, daß man gegen den
Willen der Person deren Gedanken erraten kann; abgesehen
von den kriminalistischen Fällen, in welchen ein
kluger Untersuchungsrichter an den Angeklagten geschickte
Fragen stellt und der Letztere durch die verfängliche
Fragestellung irritiert wird, unüberlegte Antwort gibt, wodurch
der Untersuchende im Moment die richtige Sachlage
sich erklärt und die Gedanken des Angeklagten errät.
Dieses kann man wohl schwerlich Gedankenübertragung
nennen. Ich bedauere sehr, daß Herr Dr. A. D. mich mißverstanden
hat und erkläre hiermit, daß meine Experimente
des Gedankenerratens unterstützt werden durch: Physiognomie
und psychologische Kenntnisse, Logik, Kom-
binationstalent, Punktieren (die richtige Deutung der geringsten
Zuckung des Induktors); aber direkt unentbehrlich
bei diesen Experimenten ist ein „Etwas", ganz gleich-
giltig wie man es benennt, ob Instinkt, Eingebung, Spürsinn
, telepathischer Funke, Strahl, Welle usw. — Einen
wort auf die (wohl gleichfalls in erster Linie an die Adresse des
Herrn Dr. Bormann gerichtete) Anfrage in Bezug auf D. D. Home
(s. Kurze Notiz e)% S. 262 im vor. Heft) bringen wir an anderer
Stelle. Die oben erwähnte Verteidigung Kotik's mußte für später
zurückgestellt werden. — Red.
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