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Gedankenleser in München.
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Aber das Finden des Wortes erschwerte sich Andrejs, wie
er betonte, dadurch, daß er nicht die einzelnen Worte
punktierend durchging, sondern frei das verlangte Wort zu
finden suchte.
Ein kleiner Zwischenfall mag erwähnt werden. Als
Andreje, während eine der Aufgaben verabredet wurde,
mit zwei Herren im Vorraum wartete, sagte er einem der
Herren plötzlich: „Sie denken jetzt an die Telephonnummer
1250 und an die Zahl 5*. Es stimmte und Andrejs fügte
erklärend hinzu, daß es sich hier um einen Fall von Momentsuggestion
handle, wo der Suggerierte gar keine Zeit habe
zu überlegen, und daß ihm in geeigneten Augenblicken
solche Momentsuggestionen immer gelängen.
Geradezu frappierend wirkte ein Versuch, den Andrejs
mit einem Dozenten der Psychologie anstellte. Dieser Herr
sollte unter dem Suggestionseinflusse Andrejs von einem
Wandbrett einen bestimmten Teller herunterholen. Er sah
sich eine Weile im Saale um. Dann stürzte er ganz plötzlich
auf das Wandbrett zu und holte den richtigen Teller
herunter.
Zum Schlüsse machte Andrej^ einen Versuch mit allen
Anwesenden. Er nannte eine Reihe hervorragender Männer
aus clor Geschichte des Altertums. Dann forderte er alle
Herren auf, die genannten und noch möglichst viele andere
solche Namen im Geiste an sich vorüber ziehen zu lassen
und dann den Namen aufzuschreiben, der" ihnen augenblicklich
besonders anziehend sei. Der Versuch mißlang
zuerst. Als aber dann Andrej^ die Namen auf Namen von
Feldherren aus jener Zeit beschränkte, schrieb tatsächlich
ungefähr ein Drittel der Anwesenden den Namen Hannibal
auf, den Andrej^ vorher dem Vorsitzenden angegeben hatte.
Mehrere andere Versuche, die im Laufe der Sitzung noch
angestellt wurden, mißlangen. Die vorgerückte Zeit verbot
es, sofort eine eingehende Diskussion über die vorgeführten
Experimente abzuhalten. Die Gesellschaft beabsichtigt aber,
in nächster Zeit systematisch Versuche über
Gedankenlesen anzustellen. Erst dann wird eine Diskussion
darüber stattfinden.*
Daniel Home am französischen Kaiserhofe.
Von Dr. Walter ßormann (München)
Zu dem Geschichtchen, das unter der Marke „Kaiserin
Eugenie und der Geist"*) jüngst durch die Presse lief, be-
*) Vergl vor. Heft, K. Not. e), S. 261 2. — Red.
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