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Noack: Über altägyptischen Totenkult.
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Reiches auch im Tode um den „großen Gott*4, wie der
Pharao auf Denkmälern des alten Reiches heißt, versammelt
bleiben wollten. Neben der Pyramide und ihrem Totentempel
dehnte sich die Totenstadt der Grabmäler des Hofstaates
, der vornehmen und hohen Reichsbeamten aus.
Nur sie hatten in jener frühen Zeit ein Recht auf das
monumentale Grab. Dessen Form ist stets die eines massiven
flachen Rechtecks mit steilgeböschten Seitenwänden
und flachem Dachplateau, — der ins Monumentale gesteigerte
Grabhügel der Urzeit. Mit einer Mastaba, d. i.
Bank, haben die modernen Bewohner diese Grabbauten verglichen
und die Wissenschaft hat diesen Namen acceptiert.
Die Mastaba ist aber nur der sichtbare, oberirdische
Teil des Grabes. Tief unten im Felsboden liegen die kleinen
Kammern für die Särge der Yerstorbenen. Die Treppen
oder senkrechten Schachte, die zu ihnen hinabführen,
werden nach der Beisetzung verschüttet bis hinauf zur
Mastaba. Nur in dieser ist der Tote noch erreichbar. Ursprünglich
war auch sie ganz massiv und nur das Abbild
einer Pforte an ihrer Außenseite deutete auf eine weitere
kultliche Idee. Bald jedoch wurde dahinter im Massiv der
Mastaba eine kleine, durch eine wirkliche Pforte vertretbare
Opferkammer ausgespart, in der die Hinterbliebenen
dem Toten opfern und füj* sein Wohlergehen sorgen. —
2. Eine solche Opferkammer ist auch unser Monument.
Sie stammt aus der Mastaba eines Seschem - nufer, des
„ Vorstehers der königlichen Kanzlei", eines hohen Beamten
in der fünften Dynastie. Sie lag westlich von der Nordwestecke
der Pyramide des Cheops. Ihre Freilegung gehörte
zu den Aufgaben der letzten Sieglin - Expedition im
Frühjahr 1910 (s. die ausgehängten Photographien). In
ihrer Form, wie im künstlerischen Schmuck der Wände
gibt sie ein Musterbeispiel eines solchen Kultraumes.
Die Kammer "bildet ein Rechteck von 3,65 m zu
1,45 m im Lichten und war nach den Himmelsrichtungen
derart orientiert, daß die Schmalseiten nach Nord und Süd
lagen und man durch die Türe am einen Ende der Ostwand
den Raum betrat. Ihre Lage in der Mastaba ist aus
dem ausgestellten Plane zu ersehen.
In diesem ursprünglichen Zusammenhange ließen sich
bei uns aber nur drei Wände wieder aufbauen. Ganz abgesehen
davon, daß in der schmalen Kammer ein Überblick
über die Darstellungen und ein genügender Abstand nicht
zu gewinnen gewesen wäre, zwang schon das große Gewicht
der mächtigen Muschelkalkblöcke, von denen jedes über-
einandergestellte Paar den Boden mit über 30 Zentnern
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