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Literaturbericht. 389t
ihm selbst ähnlicher darzustellen." Dies schöne Wort J. G. Fichte's
aus seiner „Bestimmung des Menschen" ist diesem geistvollen Buche
vorangestellt als Leitwort. Und vom Tode, als einem Erneuerer des
Lebens, plaudert es in schöner, dichterischer Sprache. Es erzählt,
vom „Sinn des Lebens", indem es die alte Lehre vom Karma der
indischen Philosophie heranzieht und so dem Leben einen tiefen
Sinn zu verleihen sucht. Es plaudert von der „Präexistenz", indem
es das Lebensschicksal eines armen Mädchens erzählt, das mit ihrem
neugeborenen Kinde in den See sterben ging, weil es sich eines
früheren Erdenlebens „erinnerte", in welchem es als jüdische Hexe
verurteilt wurde. Das Buch spricht von der indischen Überlieferung
und von der heutigen Forschung über das Werden und Vergehen
im Kosmos und sucht nachzuweisen, daß die alte indische Philosophie
übereinstimmt mit den letzten Ergebnissen unserer größten
Naturforscher. Der Verf. plaudert in einer Phantasie: „Das dunkle
Tor" von einem Selbstmörder, der nach langer Bewußtlosigkeit zum
Leben zurückkehrte, um seiner einstigen Geliebten dadurch ein.
besseres Karma zu schaffen; „was eine Christustat ist," soll dies
zeigen. Er erzählt von dem untergegangenen Rom und seiner Kultur
; von dem Sterben der Blumen; von dem „Geist der Zeiten" und
hier sagt er, daß erst unsere Zeit es verstehen lernt, den Egoismus
mit dem Altruismus zu versöhnen. Der Verf. plaudert vom
„Ewig«Weiblichen", das dem Manne gegenüber steht als die empfangende
Natur, als die Mutter ihrer Kinder, von der nur die
„Dirne'' sich frei zu machen sucht und so zu einem „Mannweibe",
der Emanzipierten, wird; eine scharfe, aber berechtigte Auseinandersetzung
. Und „ein grauer Epilog" über die „Edelfäule" überreifer
Kulturen, die sterben gehen müssen, um neuen, emporblühenden
Platz zu machen, beschließt dies gedankentiefe Buch, das ich sinnenden
und tief fühlenden7 Menschenfreunden dringend empfehlen
möchte, zu lesen und seine dichterische Schöne auf sich wirken zu
lassen. E. W. D o b b e r k a u.
Vares. Op. 3: Concert spirituel (Fmoll I. Teil) für großes Orchester,
großen Chor, Orgel und Nebenorchester. Verlag von Ad. Dähler,
Barmen-R.
Das vorliegende Werk von Vares, der erste Teil eines „Coneert
spirituel*, soll das eines Autodidakten sein, der sich, nach der Dedi-
kation („Prof. Dr. Hugo Kiemann [dem Bahnbrecher und vollendetsten
Meister der musikalischen Analytik] gewidmet") zu schliefen,
an der Hand der tiefschürfenden Neuerungen des bedeutendsten
lebenden Musikgelehrten und -theoretikers selbst gebildet zu haben
scheint. Es ist — das sei für solche Aufführungen, denen ein reichhaltigeres
gesangliches und instrumentales Material nicht zur Vertilgung
steht, gleich vorausgeschickt — vom Komponisten so eingerichtet
, daß das Nebenorchester und die Orgel, so auch der Chor
beliebig wegfallen können. Man muß seiner aufrichtigen Verwunderung
darüber Ausdruck geben, was der Komponist durch sein Selbststudium
erreicht hat. Da fällt dann gleich seine gute Handhabung
der Instrumentation auf, die nur hier und da in einiger ungleichmäßiger
Verteilung der Instrumente gewisse Hemmungen erleidet.
(Ich meine damit einige mir zu dünn gesetzte Stellen, denen aber
wieder eine Anzahl allzu dick instrumentierter gegenüber tritt, ein
Mißgeschick, das fast jedem Anfänger passiert) Auch möchte ich
den Komponisten doch warnen vor der Anwendung allzu häufigen
Tremolos der Streicher. Weiterhin berührt, die ganze Anlage der
Komposition betreffend, die weihevolle Stimmung, die über
dem Ganzen ruht, der Ernst, mit dem sie konzipiert wurde, recht
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