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396 Psychische Studien. XXXVIII Jahrg. 7. Heft. (Juli 1911.)
leinene Säcke gesteckt sind und durch Siegel gesichert
waren. Unten eine ähnliche Befestigung mit Eisendraht,
Bleiplombe und Siegel. Da eine horizontale Verbindung
der Holzstreifen fehlte, so zog Verfasser 27 cm unter dem
oberen Querbalken und 20 cm über dem unteren einen
Bindfaden parallel mit dem Fußboden, der, einmal um jede
Stange gewickelt, vorn und hinten auf jeder Latte und mit
den Enden an der Wand versiegelt wurde. Nach meiner
Anschauung hätten bei stärkerem Auseinanderziehen der
Leisten die Siegel springen müssen.
Schon bei Prüfung des Käfigs vor der Sitzung fiel mir
auf, daß die aus einfachem FicLnholz gesehnitfenen und
an den Ecken abgerundeten Leisten ziemlich flexibel waren.
Durch Vordrücken der einen und Zurückschieben der daneben
liegenden Leiste gelang es mir, die Distanz von 9 cm
auf 14 bis 15 cm zu vergrößern. Vor der Sitzung entledigte
sich Frau Sordi der Oberkleider (bezw. des Korsetts) und zog
ein Kleid aus schwarzem Stoff an; auf dem Gang zum
Sitzungszimmer verschwand sie einen Augenblick in der
Toilette. Nach Bereitstellung des das Medium einschließenden
Käfigs wurde der Vorhang zugezogen und absolute
Dunkelheit hergestellt. Tiefes, lautes Schnarchen zeigte
alsbald den Eintritt eines Schlafzustandes an, aus welchem
heraus sich aktiver Somnambulismus mit dem Auftreten
der Personifikation des „Remigio* entwickelte. Diese von
ihrer somnambulen Geistestätigkeit geschaffene psychische
Existenz zeigt einen männlichen Charakter, tiefe, grobe
Stimme, stößt mit der Zunge an, hat Sinn für Humor und
bedient sich drastischer, derber Redewendungen. Nachdem
der angebliche Kontrollspirit die oben beschriebenen leuchtenden
Phänomene produziert hatte, wurde er aufgefordert,
das Medium ganz oder teilweise durch die Latten zu befördern
.
Als ehrlicher Kauz und vorsichtiger Experimentator
erklärte „Remigio* sofort, er könnte für Erhaltung der
Bindfadensiegel auf den Holzleisten nicht einstehen, wolle
jedoch den Versuch unternehmen. Nach Ablauf von kaum
10 Minuten wurde rotes Licht verlangt. Ich trat an den
Käfig und fand Lucia Sordi (genau so, wie es die publizierte
Photographie zeigt) nach vorn gebeugt mit außerhalb
des Käfigs befindlichem Kopf. Die dritte und vierte Latte
schlössen ihren Hals ein. Das Ganze machte einen überraschenden
Eindruck. Das über dem Kopf befindliche
Bindfadensiegel war unverletzt, während das an der Außenseite
der dritten Latte unten befestigte äußere Siegel gesprungen
war. Indessen konnte Frau Sordi dieses Siegel
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