http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0412
40S Psyebische Studien. XXXVIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1911.)
Königin telepathisch lesen können. Dazu wäre wohl
nicht einmal notwendig gewesen, daß die Königin sich
hätte diesen Inhalt wieder deutlich zum Bewußtsein bringen
müssen. Um den Inhalt aber so zu lesen, hätte Swedenborg
gerade hierauf seine Aufmerksamkeit und
seinen Willen richten müssen. Er gab auch in diesem
Falle an, daß er das nicht getan, sondern ihn von dem
verstorbenen Briefschreiber erfahren habe. Daß er dies
erlogen haben soll, widerspricht der anerkannten Aufrichtigkeit
Swedenborg's und hätte überdies gar keinen
Sinn und Grund gehabt.
Nicht physische Bewerkstelligung,
Zu erwähnen ist hier auch noch, daß die neuesten Beurteiler
des Falles Swedenborg sich mehr der materialistischen
Erklärung zuwenden. So meint Alfred Lehmann
(„Aberglaube und Zauberei", Stuttgart 1908, S. 277):
„Die Sache werde sich wohl natürlich zugetragen
haben*; und Richard Hennig („Wunder und Wissensehaft
*, Hamburg 1904, S. 219) weist darauf hin, daß die
Legenden-Bildung die Berichte von Swedenborg^
Hellsehen zurechtgestutzt habe, übrigens anerkennen
beide, daß es sich hier um außergewöhnliche Vorkommnisse
handle. Beiden ist zuzugestehen, daß manche
Berichte über Swedenborg, auch einige von Augenzeugen,
übertrieben sein mögen. Im Fall de Marteville
aber kann es sich um die Hauptfrage, ob da Hellsehen
oder posthume Telepathie vorlag, erst dann handeln, wenn
feststeht, daß nicht die verlorene Quittung irgendwie auf
einem materiellen Wege unter Mitwirkung nur der normalen
Sinne zur Stelle geschafft ist. Sieht man nun
hierbei auch von Swedenborg's nicht angezweifelter
Aufrichtigkeit ab, so muß man sich vergegenwärtigen, daß
General von Eiben und seine Gemahlin, die dabei direkt
beteiligte frühere Frau de Marteville, solchen materiellen
, sogenannten „natürlichen* Zusammenhang der Sache
jedenfalls gesehen haben müßten. Hätten sie auch nur die
Möglichkeit eines solchen Zusammenhanges verschwiegen,
so würde dies dem Inhalte ihres Briefes nach vollständig
einer Lüge gleichgekommen sein. Für eine Möglichkeit
solcher Annahme fehlt jeglicher Grund. Übrigens müßte
man auch Frau de Marteville, spätere von Eiben,
schon dann grundlos einer Lüge zeihen, wenn man annähme,
daß bei der Auffindung der Quittung kein Verkehr posthum
mit ihrem ersten Gatten, sondern nur ein sachliches Hellsehen
stattgefunden hätte.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0412