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410 Psychische Studien. XXXV1IL Jahrg. 7. Heft. (Juli 1911.)
lehrten Männern, die ich entweder persönlich oder aus
ihren Handlungen und Schriften kennen gelernt habe; so
mit allen, von denen ich mir eine Vorstellung machen kann;
denn man kann sich leicht denken, daß ich nicht werde den
Wunsch hegen können, mit einer Person zu sprechen, die
ich weder gekannt habe, noch mir vorstellen kann.«
Nicolaus Collin, Kektor der schwedischen Kirche
zu Philadelphia, berichtet in den Nrn vom 5. bis 10.
August 1801 in der „Philadelphia Gazette *,*)
daß er, 20 Jahre alt, im Sommer 1766 Swedenborg in
Stockholm besucht habe. Er habe ihn um eine Mitteilung
gebeten von seinem kurz vorher verstorbenen Bruder,
einem beliebten Geistlichen in Stockholm. Swedenborg
habe ihn nach seinen Beweggründen für dieses Verlangen
gefragt. Da er aber hierfür nur persönliche Gründe habe
angeben können, habe Swedenborg ihm seine Bitte in
Hebens würdiger Weise abgeschlagen, weil er sich
dieses nur erlauben würde, wenn es sich „um irgend eine
wichtige, geistige oder weltliche Angelegenheit handle.*
Aus gleichem Grunde hat Swedenborg das gleiche
Ansuchen, nur um ihn auf die Probe zu stellen, dem Dichter
Klopstock abgeschlagen. Er mußte es sich gefallen lassen,
deswegen von diesem mit Gift und Galle beurteilt zu
werden. Einiges hierüber findet sich in Jung-Stillin g's
„Theorie der Geisterkunde* (Nürnberg 1808).
Alle Objektivität ist subjektiv und relativ.
Der andere sachliche Irrtum, der sich in Kiese-
wetter's „Geschichte des neueren Okkultismus* (in der
Anmerkung zur S. 307) findet, ist von weiter reichender
Bedeutung. Kiesewetter meint, wenn Swedenborg
^ Darstellungen der Geisterwelt Wert beizumessen
wäre, müßten alle abweichenden okkultistischen Anschauungen
Irrtümer sein. Kiesewetter glaubte offenbar
noch an die Möglichkeit von absoluter Wahrheit, wenn er
allerdings auch diese nicht bei Swedenborg annahm.
So wenig aber Swedenborg unfehlbar war, so wenig ist
es irgend jemand anders. Alles ist im Dasein relativ und
individuell. So waren Swedenborg^ Mitteilungen
über Bewußtseins-Zustände nach dem Tode selbstverständlich
subj ektiv gefärbt. Indessen sind sie eben deshalb
als Kennzeichnung der Begriffe seiner Zeit interessant.
Man wird sich übrigens ja sagen können: da die nach
dem Tode Fortlebenden nicht wohl etwas anderes
*) Abgedruckt in Tafel's „Sammlung n\" II, S. 201.
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