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416 Psychische Studien. XXXVIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1911.)
7. Wo schließlich die figürlichen Szenen die Wandfläche
freilassen, treten die Hieroglyphen - Inschriften ein. Außer
der immer wiederkehrenden Angabe des Namens und der
Würden des Grabherrn treffen wir stereotype Opferformeln,
lange Speisekarten, die den Zweck der bildlichen Szene
noch verstärken, Beschreibungen des Landgutes mit Garten,
Teich, Feigen und Weinstöcken. Lebendiger wird die Inschrift
, wenn sie sich auf die dargestellten Bilder selbst bezieht
, wie etwa: „der Tote besieht das Herbeiführen des
täglichen Totenopfers . . ., das aus den Dörfern des Stiftungsgutes
gebracht wird" — oder wenn beim Schlachten
der Stiere Anruf und Antwort steht: „halte dies!* — „ich
tue es sehr gut", oder „ziehe!" — „ich tue nach Deinem
Gefallen." —
Für diese ganze bildliche Dekoration der Wandflächen
und ihre Gliederung durch die Bemalung hat kürzlich Borehardt
eine sehr überzeugende Erklärung gegeben. Der
unterste schwarz oder dunkel - blaugrau gemalte Sockel
deutet den echten Sockel aus Basaltquadern an, wie er
jetzt in jenen Königsgräbern von Abusir gefunden ist. Die
gelbe Zone darüber markiert die Holzvertäfelung der Wand.
Unser Denkmal läßt hier — wie durchaus nicht alle bisher
bekannten Reste — die Holzmaserung gelegentlich noch erkennen
. Aber der größte Teil dieser Holzverkleidung wrar
selbst wieder verhängt mit Wandteppichen, die mit figürlichen
Szenen geschmückt waren. Als die untere Borte
dieses Wandteppichs ist der typische, rote, von zwei
schmalen schwarzen (in unserem Beispiel fast ganz verblaßten
) Linien eingefaßte Streifen anzusehen. Am oberen
Rande kann man — in anderen Gräbern — häufig noch
die Ringe und Zickzackschnüre erkennen, an denen der
Teppich hing. Sonach wären diese Wanddekorationen bereits
eine Imitation und das weniger kostspielige Surrogat
für echtes, kostbares, vor die Kernwände gesetztes Material,
wie es sich nur die Könige und auch sie nicht immer hatten
leisten können. 8
8. Mehr als ein halbes Jahrtausend jünger ist das dritte
kostbare Denkmal unseres Kabinetts, der bemalte Holzsarg
eines hohen Beamten des mittleren Reiches (2000—1788 v.
Chr.), eines „Vorstehers der Flotte*.
Wie die politischen Machtverhältnisse, so hatten auch
die religiösen Vorstellungen manche Wandelung erfahren.
Die Idee von einer Verantwortlichkeit des
Menschen nach dem Tode war aufgekommen:
vor Osiris und den anderen Totenrichtern hat nun der Verstorbene
zu bezeugen, daß er ein sittliches Leben voll guter
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