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Peter: Th. Flournoy's „Esprits et Medium s". 423
Wahrheit tausendmal mehr nützen, als eine Schar gedankenloser
Nachbeter verworrener Phantasten. —
Sehr interessant ist die aus zwei einfachen Prinzipien
zusammengesetzte Verhaltungsvorschrift, welche Prof. Flour-
noy seinerzeit dem „Institut G£n£ral Psychologique* empfohlen
hat, um in wahrhaft wissenschaftlichem Sinne vorzugehen
. „Der erste meiner Grundsätze ist/ sagt der Gelehrte
, „daß es für so beschränkte Wesen, wie wir es sind,
zweifellos noch mehr Dinge im Himmel und auf Erden
gibt, als in unserer Schulweisheit, wie Hamlet sagt, und daß
infolgedessen es weise ist, nichts im voraus zu leugnen,
auch nicht Tatsachen, die uns völlig absurd erscheinen und
deren Wirklichkeit alF unsere bisherigen Kenntnisse von
Grund aus umstürzen würde. Wenn man sich mit Auffindung
des Unbekannten beschäftigt, muß man sich auf
alles gefaßt machen. Ist es aber unvermeidlich, daß der
Forscher, da er Mensch ist, angeborene Vorliebe oder Befangenheit
für, bestimmte Hypothesen hat, dann muß er
wenigstens, wenn er weise ist, ohne vorgefaßtes Urteil zugeben
, daß alles möglich ist.
Dies ist oft schwerer, als es scheint. Es gibt sogar
Leute, welche hierzu unfähig sind und in deren Augen es
z. B. die Wissenschaft schon entehren und sich dem Aberglauben
übergeben heißty wenn man den sogenannten supranormalen
Phänomenen die geringste Aufmerksamkeit schenkt.
Da ihr doktrinärer Geist sie jedem philosophischen Bedenken
unzugänglich macht, so geraten sie schon bei dem
bloßen Gedanken außer sich, daß im Spiritismus oder im
Okkultismus aus Zufall etwas Wahres, von unserer bestehenden
Wissenschaft ( nvermutetes liegen könnte. Nun,
und selbst wenn dies der Fall wäre, würde man die Wahrheit
hindern, früher oder später doch aufzuleuchten? Und
wenn es nicht so, ist, wenn alles nur Illusion ist, wird es
nicht eben Sache der vorurteilslosen Analyse der Tatsachen
selbst sein, den Anschein zu erklären und die Illusion auf
ihre wirklichen Ursachen zurückzuführen ? Ich halte es für
eine Beleidigung der Wissenschaft und für mangelndes
Vertrauen in die Kraft ihrer Methoden, wenn man ihr den
Eintritt in gewisse Labyrinthe verbietet aus Furcht, daß
sie sich dort nicht zu helfen weiß. Ich halte sie für stark
genug, um nichts zu fürchten, und für vornehm genug, um
die Möglichkeit von allem einzuräumen, was man will, —
wenn sie die Wirklichkeit nicht, wie es sein muß, beweisen
soll."
Das zweite Prinzip Flournoy's entspricht dem Grundsatze
des berühmten Laplace: „Man muß um so mehr
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