http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0448
444 Psychische Studien. XXXVIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1911.)
verkehrte. Schmeicheleien waren ihm fremd, da bekam
man nur ungeschminkte, derbe Wahrheiten zu hören. Mit
allen seinen Patienten ohne Unterschied des Standes
sprach er per „du". Manche, die das nicht wußten, kamen
in große Verlegenheit. Bei selbstverschuldeten Krankheiten
nahm er gar kein Blatt vor den Mund. So konnte man
z. B. hören: „Trink weniger* oder „Geh' abends bälder
heim, daß du ausschlafen kannst44. Mancher vornehmen
Dame gab er den „Rat*, fleißiger zu arbeiten, morgens bei
Zeit aufzustehen und auch die Mägde mehr zu schonen.
Wie „Balthes44 in den Seelen zu lesen verstand, davon
folgendes Beispiel: Vor ihm steht eine abgehärmte, blasse
Frau und klagt ihm ihren Zustand. „Balthes44 hört ruhig
zu, endlich sagt er: „ Weible, verschreibe kann dir nichts.
Aber jetzt gehst heim und sagst zu deinem Mann, er soll
weniger ins Wirtshaus gehen und nicht alles vertrinken;
er soll auch dir etwas zu essen und zu trinken lassen,
dann wird dein Leiden besser werden. Tut er?s nicht,
dann ist er schuld, wenn's bald mit dir aus ist.46 So
redete „Balthes* mit seinen Patienten, und das Zutrauen,
welches das gewöhnliche Volk zu ihm hatte, ist leicht erklärlich
. Unbestreitbar hat er sich dadurch, daß er die
alten Hausmittel wieder in Ehren brachte ,, manche Verdienste
erworben. Seine Kenntnisse, erlangt durch langjährige
Praxis und Übung, waren unbestreitbar ganz bedeutende
. Wer zum „Dußlinger Maale44 kam, der nahm
das sichere Bewußtsein mit nach Hause, daß er es mit
keinem Quacksalber zu tun hatte, sondern mit einem
Mann, der etwas versteht von der Natur und ihren heilbringenden
Kräften.44 — Wer den bescheidenen Mann auf
dem Tübinger Bahnhof, wo er beim Umsteigen häufig im
Wartesaal von Leidenden oder ihren Angehörigen „konsultiert44
wurde und seine einfachen Eezepte auf ein seinem
Notizbuch entnommenes Blatt Papier schrieb, oder auch im
Wagen IV. Klasse auf der Bahnfahrt zu beobachten Gelegenheit
hatte, dem wird sein intelligentes, wohlwollendes
Gesicht unvergeßlich bleiben.
Kurze Notizen.
a) Eine Millionen Stiftung zur hochschulmäßigen
Erforschung des Spiritualismus
. Nach einer (uns von Prof. W. Reichel gütigst
eingesandten Notiz des „ Light44 vom 20. May 11) gibt das
in San Francisco täglich erscheinende „Bulletin44 vom
l.Mai er. bekannt, daß der reiche amerikanische Gönner des (in
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0448