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Olericus: Zwei Spukhäuser in München. 471
Anlaß habe, teilte mir folgendes mit: „Meine Eltern (der
Vater war städtischer Beamter) bezogen in den sechziger
Jahren des abgelaufenen Jahrhunderts eine Wohnung in der
F.-Straße. Verschiedene rätselhafte Erscheinungen, die sich
in dieser Wohnung immer wieder zeigten, brachten das
Haus schließlich in Verruf und bewirkten, daß die betr.
Mieter dasselbe bald wieder verließen, bis endlich durch
einen Umbau Abhilfe geschaffen wurde. So bewohnte unter
anderen auch ein Freiherr von M.-T. den fraglichen Stock
nur ganz kurze Zeit und, als ihn die Frau des folgenden
Mieters fragte, wessalb er denn ausgezogen sei, gab er die
ausweichende Antwort: „er wolle bei Tag Frieden und bei
Nacht Ruhea. Die ersten uns unangenehmen Erscheinungen
zeigten sich Nachts. Das Oberbett fing langsam an, sich
wellenförmig zn bewegen. Dies begegnete zuerst meiner
Mutter und dann auch meinem ältesten Bruder, ohne daß
die beiden sich vorher darüber besprochen hatten. Der
Hund verkroch sich anfangs scheu unter das Bett, später
blieb er überhaupt nicht mehr nachts in dem betreffenden
Zimmer. Ein Kinderaltar bewegte sich, sodaß alles daran
unter einander fiel; die Bilder an der Wand drehten sich
um. Dabei vernahm man oft ein Geräusch, als ob ein beschneiter
Schirm ausgeschüttelt würde. Diese Erscheinungen
zeigten sich vom Juli "bis Oktober, vom Februar bis Mai.
Manchmal erschienen am Boden Flammen in den Ritzen.
Wollte man sie auslöschen, so teilten sie sich und hüpften
herum, bis sie allmählich von selbst erloschen. Tassen und
Krüge hoben sich vorn Tische und kamen unbeschädigt
wieder auf ihren Platz zurück. Dann verwickelten sich
plötzlich die Uhrstränge und lösten sich von selbst wieder.
Manchmal gab es einen furchtbaren Schlag, sodaß alles
zusammenlief und fragte, was denn um Gotteswillen passiert sei.
Aber es fand sich keine Ursache. Die Fenster wurden
plötzlich aufgerissen und von selbst schlössen sie sich wieder;
ebenso war es mit den Türen. Auf der Treppe zeigte sich
oft ein kleines graues Männchen, das auch von mehreren
nicht zu unserer Familie gehörenden Personen gesehen
wurde. Doch verschwand es, wollte man es näher betrachten.
Endlich wurde ein Kind der Familie infolge des Schreckens
krank, weil es einen Kopf gesehen. Nun riet der Arzt
dringend zum Wohnungswechsel. Auch die Dienstmädchen
waren nicht zum längeren Bleiben zu bewegen. Alle fürchteten
sich, weil auch sie Köpfe und Gestalten sahen. Als
einmal eines der Dienstmädchen das Zimmer verließ, hörte
man einen starken Schlag: das Mädchen erhielt eine Ohrfeige
und kam mit rotem, geschwollenem Gesicht zu uns ins
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