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IJuber: Die Psyche als Ursache chemischer Veränderungen. 473
werden können, ist eine Tatsache, die heute leider noch
nicht die gebührende Würdigung von Seiten der Medizin
gefunden hat, wenn auch gerade in jetziger Zeit diese Erkenntnis
sich immer mehr Bahn bricht, und von einzelnen
Medizinern diese Faktoren in das Bereich der Entstehungsursachen
mancher uns heute noch unbekannten Krankheit
gezogen wird.
Wenn Dr. Großmann schon im Jahre 1894 gelegentlich
der 66. Versammlung deutscher Naturforscher
und Ärzte in Wien behauptete, daß selbst gewisse organische
Lähmungen und Paralysen durch Suggestion heilbar
sind, und weiter, wenn er für die suggestive Beseitigung
nicht nur funktioneller, sondern auch organischer Schmerzen
und noch weitergehend für die suggestive Behandlung der
Gelenkkrankheiten, mit besonderer Berücksichtigung des
chronischen Gelenkrheumatismus und der Gicht, als erster
eintrat und Beweise für die Heilung erbringt (siehe „Ztschr.
f. Hypnot.% 3. Jahrgang 1894,95), so ersehen wir daraus,
daß schon vor 17 Jahren die Medizin die Macht der psychischen
Einwirkung auf unsern Organismus kannte; und
es darf uns keineswegs überraschen, wenn nun sich auch
endlich die Erkenntnis immer mehr Bahn bricht, daß unser
Vorstellungsleben häufig die Schuld trägt an verschiedenen
Krankheiten funktioneller, aber auch organischer Art, ja
sogar durch bloße Vorstellungen chemische Veränderungen
hervorgerufen werden können.
Das Resultat einer Kundfrage des Dr. Herz (vor
einiger Zeit kritisiert in den „M. JN. wonach die Arterienverkalkung
nicht so selten durch seelische Ursachen
hervorgerufen wird, kann uns nicht mehr befremden und
kann uns nur eine Genugtuung bedeuten deshalb, weil ein
deutscher Arzt es ist, der bei dieser Erscheinung die Macht
der Psyche über den Organismus erkennt. Amerika, das
Land der freien Forschung, ist uns hier ja in vielem schon
vorangegangen und wird auch von hier ausgehend der
erste Versuch gemacht, die Gedankenkräfte zu Heilzwecken
zu verwerten. Das Gebiet der „geistigen Chemie" wrurde
speziell von Professor Gates eingehend bearbeitet und hat
er uns sehr interessante Resultate übermittelt. Seine Behauptung
, daß zu jedem unangenehmen Gefühle eine begleitende
chemische Änderung in den Geweben des Körpers
gehöre, beweist er durch seine im Jahre 1879 veröffentlichten
Berichte über Versuche, bei denen sich Folgendes
gezeigt habe: Wenn der Atem eines Menschen durch eine
Röhre ging, die mit Eis gekühlt war, sodaß die flüssigen
Bestandteile des Atems sich verdichteten und diese Teile
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