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492 Psych. Studien. XXXVIII. Jahrg. 8. Heft. (August 1911.)
menschlicher Geistestätigkeit vom Entdecker zu gemeinnützlichen
Zwecken verwertet wird, so wird durch die
damit hervorgerufenen Ubelstände die Erkenntnis der
Mitmenschen beschleunigt, indem die dadurch neu entstandene
Gedankentätigkeit allmählich dazu führt, daß dem
Mißbrauch eines höheren Wissens die gebührenden Schranken
gezogen werden.
Die Entwickelung der reinen Vernunft- und Verstandesschärfe
wird durch den eigenen Willen im Streben nach
Erreichung eines Zieles und durch die dem Willen entgegenstehenden
Hindernisse gegnerischer Bestrebungen gefördert.
Aller gemeinnützlichen Gedankenarbeit, welcher im Sinne
der Wahrheits- und Gerechtigkeitspflege der Stempel des
Guten anhaftet, dürfen keine Schranken gezogen werden.
Jeder neuen Errungenschaft der Gedankenkraft muß, wenn
sie unter dem Glauben guter gemeinnützlicher Ziele erworben
wurde, jede vorurteilsfreie Kritik erwünscht sein,
da sie dadurch nur gewinnen kann. Dasselbe gilt aber
nicht von neuen Geisteserzeugnissen egoistischen Charakters.
Hier wird die Unwissenheit der Volksmassen oft unberechtigter
Weise auf gewissenloseste Weise ausgebeutet, solange
diese existiert. Hier stößt jede gewissenhafte Kritik auf
feindselige Beeinflussung. — Alles Streben nach Erfolg wird
entweder von idealer gemeinnützlicher oder von egoistischer
Gedankentätigkeit geleitet. Das Wort ist das Fortpflanzungsmittel
, aller Gedankenströmungen. Die Intelligenz, das
Lieht der Vernunft und Verstandesschärfe entscheidet über
den Charakter des Wortes durch die Glaubensunterscheidung
von gut und böse. Der Glaube an die eine oder die
andere dieser Eigenschaften der durchs Wort geoffenbarten
Geistestätigkeit erzeugt die entsprechenden Gedankenformen
positiven oder negativen Charakters, welche durchs Wort
die Existenzmöglichkeit bedingen. Der blinde Glaube, die
Unterscheidungsunfähigkeit über den Charakter der durchs
Wort ins Leben gerufenen Gedankenkräfte ist das stärkste
Bollwerk des Egoismus und wird von ihm aufs sorgsamste
gepflegt. Durch blinden Glauben und Vertrauen gelingt
es dem Egoismus, den Sieg über Wahrheit und Recht zu
behalten und der Menschheit die schmachvollen Fesseln
der Sklaverei immer fester zu schmieden.
Erziehung, Glaubenslehre und Rechtspflege sollen die
egoistischen Triebe des Geistes nach Wahrheft und Recht
möglichst im Keime ersticken. Um dies in hohem Maße
durchführen zu können, müssen sich die Vertreter der
Rechts- und Wahrheitspflege im Glauben selbst vom Egoismus
befreien, sich selbst V höchste Intelligenz aneignen
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