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Meißner: Das logische Bedürfnis in höh. Synthese zu vereinigen. 549
Mensch in solchen Fällen nur in der Gemeinsamkeit, durch das
große gemeinsame Ganze eine Macht wird; sonst aber fühlen
sich die heutigen Menschen nur zu sehr jeder für sich als
eine besondere Größe, mit der jeder Nachbar rechnen und
der er sich in allem gefügig erzeigen soll, bei Androhung
des Zorns des Mächtigeren, wenn er es nicht ist. So steht's
mit der heutigen menschlichen Moral, und wie mit der
Wissenschaft? Es soll hier nicht gesagt sein, daß das ganze
menschliche Leben auch in Bezug auf die Verwertung des
menschlichen Intellekts nur eine unaufhörliche Eeihe von
Irrtümern gewesen ist seit Entstehen des Menschengeschlechts
bis auf unsere Tage, daß von Wahrheitswert in seinen Ent-
wiekelungszuständen, seinen Entdeckungen , Erfindungen,
in seinen eigentümlichen Gedankenblitzen bisher nichts und
niemals das Geringste zu finden gewesen ist. Was galt es
denn zu entdecken, zu erfinden?
Zu allererst jedenfalls sollte und mußte der Mensch
den Platz, den Standort, auf dem im Weltall er sich befindet
, auf dem er wohnt, der seine eigene Welt ist, nämlich
unsere Erde in ihrem äußeren und inneren Wesen samt
den auf ihr befindlichen anderen Lebewesen und mit allen
auf ihr waltenden Naturkräften entdecken; die Einrichtungen
aber mußte er erfinden, mit Hilfe deren er einmal das
Tierreich sich unterwarf <4und zu seinen Diensten und unaussprechlichem
Nutzen verwenden lernte, und sodann es
zustande bringen kann, auch die einzelnen rohen Naturkräfte
in und an seinen Dienst zu fesseln.
Die Menschen der Jetztzeit werden es am besten wissen,
ob menschlicher Kraft diese doch gewiß umfassenden, grundlegenden
, ihre Tätigkeit so ganz in Anspruch nehmenden Aufgaben
gelungen sind. In dieser Beziehung kann wohl nur eine
einzige Meinung unter allen denkenden Menschen, so namentlich
bei den sogenannten Kulturnatiouen herrschen, die sich
darin ausspricht, daß die Menschheit im Laufe ungezählter
Jahrhunderte, ja vieler Jahrtausende es wirklich zu Wege
gebracht hat, die Erde urbar, in jeder Hinsicht ertragsfähig
zu machen und vermöge einer aus den rohesten Anfängen
zu außerordentlichster Blüte gelangten Wissenschaft von
dem, was auf der Erde an Ureigenem derselben, also an
irdischen Dingen zu erforschen ist, die wertvollste praktische
Nutzanwendung für sich selber aus dieser allumfassenden
Kenntnis irdischer Verhältnisse zu ziehen. Wir brauchen
in dieser Beziehung nur daran zu denken, daß man, seitdem
erst einmal die Astronomie und die Geographie entdeckt
hatten, daß die Erde als ein gleich einer Anzahl
anderer Planeten sich um die Sonne drehender Himmels-
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