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Literaturbericht.
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Kein Verständiger wird die Berechtigung populärer Schriften
■verleugnen. So viel Seichtes und Überflüssiges dieser Art auch
heute auf den Markt geworfen wird, so hat es doch stets Berufene
gegeben, die es für ihre Aufgabe erachteten, die feststehenden Resultate
einer jeden einzelnen Wissenschaft weiten und weitesten
Kreisen ihrer Mitbürger in einer Sprache zu übermitteln, welche
diesen auch ohne spezielle Kenntnis des betreffenden Faches verständlich
war. Schriften, von diesem Geiste getragen, wollen und
werden nicht Halbbildung, sondern Bildung schlechthin fördern,
aufklärend, belehrend, anregend wirken und, indem sie das Wissen
über bestimmte Gebiete bei dem Einzelnen erweitern, diesen befähigen
, an das ihm Bekannte, an das, worin er selbst zu Hause ist,
anzuknüpfen und weiter zu bauen Diese Bemerkung glaubte ich
meiner prinzipiellen Ablehnung der Siiber'schen Schrift vorausschicken
zu sollen, um nicht in den Verdacht zu geraten, diese;*
Urteil sei durch ein unberechtigtes Vorurteil meinerseits gegen
populäre Schriften als solche herbeigeführt. Schriften nämlich aus
streng wissenschaftlichem Gebiet, wie die vorliegende, statische und
dynamische Fragen behandelnd, dürfen allerdings nach meiner
Meinung nur dann populär abgefaßt werden, wenn sie von gesicherten
Erkenntnissen ausgehen und diese einem allgemeinen,
fach Wissenschaft! ich nicht gebildeten Leserkreis vermitteln wollen.
Stellen sie aber neue, bisher unerwiesene Behauptungen wissenschaftlicher
Art auf, so sind es aliein die Fachgenossen, an welche
sich der Autor zu wenden hat, da diese einzig imstande sind, die
Richtigkeit oder Wahrscheinlichkeit seiner Thesen und Hypothesen
zu prüfen. Ein Laienpublikum zum Richter in einer Sache machen
wollen, welche sich lediglich im Gebiet der höheren Mathematik
und der exakten Naturwissenschaft bewegt, ist im Prinzip eine
Lächerlichkeit. Der Grund aber, weshalb der Verf. dieser Schrift
seine Flucht in die Öffentlichkeit antritt, ehe er auch nur den
allergeringsten Versuch gemacht hat, mit seinen Ideen den Beifall
der Gelehrtenwelt zu finden, ist zu Tage liegend. Er ist einer Ablehnung
derselben gewiß. Wieder einmal ist hier das ganz und gar
Unzulängliche Ereignis geworden. — Zu beziehen ist die Schrift
durch den Verf. selbst; der als Verleger angegebene Drucker erleidet
also wohl keinen Schaden. Freudenberg -Brüssel.
L'etude scientifique du spiritisme. Von Emile Roirac, Rektor
der Akademie Dijon. Gr. 8°, 21 S. Paris 11)11, Henri Durville
fils. Preis 1 Franc.
Unter Spiritismus versteht man bald eine Gruppe von Tatsachen
, die das Volk mehr oder weniger mit denen des Hypnotis-
mus, der Suggestion, der Telepathie, des Magnetismus zusammenwirft
, bald eine Lehre, welche diese Erscheinungen einseitig
erklären soll und uns in philosophischem oder religiösem Gewand
entgegentritt. Die spiritistischen oder „spiritoi'den* Tatsachen kann
man jedoch studieren, ohne für oder gegen die spiritistische Auffassung
in Betreff derselben Partei zu nehmen. Die wahre wissenschaftliche
Methode macht es sogar dem Forscher zur Pflicht, eine
solche unbefangene und interesselose Stellung anhaltend einzunehmen
. Darum aber soll die Geisterhypothese nicht etwa im
Prinzip als unwissenschaftlich ausgeschlossen werden. Wofern sie
nur als solche auftritt, d. h. als eine einfache Hypothese, gestützt
von gewissen Beobachtungen und unterworfen einer zuverlässigen
Kontrolle und späterer Erfahrung, dann darf auch sie, so unwahrscheinlich
wie sie auch sein mag, wie alle anderen zugelassen
werden und versuchen, sieh zu bewähren. Nur unter der Beding-
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