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592 Psych. Studien. XXXVIII. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1911.)
betont. Das ist allerdings eine subjektive Überzeugung
des Experimentators, die für Fernstehende ohne Belang ist,
und es stände freilich schlimm um Kotik's Experimente,
wenn sie auf solcher Grundlage basierten. Das trifft
aber in keiner Weise zu.
Herrn Sanitätsrat Dr. Moll ist außerdem noch ein
kleiner, aber nicht belangloser Irrtum unterlaufen. Dr.
Moll sagt u. a.: „. . . Kotik erwähnt, bevor er zur Analyse
der erhaltenen Antworten schreite, müsse er betonen,
daß Lydia den Inhalt des Briefes nicht gegen das Licht
durchlesen habe usw.* (Es handelt sich hier um das
richtige Erkennen des Inhalts verschlossener Briefe.) Dr.
Moll schließt daraus, daß die Briefe im allgemeinen
durchsichtig waren, und macht Kotik den Vorwurf,
nicht einmal diesen naiven Fehler vermieden zu haben.
Zunächst heißt es aber bei Kotik (S. 84), die Kuverts
seien „in der Regel gut verschlossen und undurchsichtig"
gewesen*) Dann aber läßt die Stelle bei Kotik — abgesehen
davon, daß es sich hier überhaupt nur um Briefe
handelte, die Kotik von dritten Personen für seine Experimente
erhalten hatte und die er selbstverständlich,
wern sie nicht allen Anforderungen entsprachen, gut in
Gewahrsam nahm, — eine solche Interpretation nicht zu.
Es heißt dort wörtlich (S. 85): „Bevor ich zur Analyse...
schreite, muß ich betonen, daß auch für einen Augenblick
nicht der Verdacht auftauchen darf, als habe
Lydia den Inhalt des Briefes gegen das Licht durchlesen
können usw." Ich meine, das ist etwas anderes!
Die Schlüsse Dr. Moll's, die in einer ebenso scharfen,
wie ungerechten Verurteilung Kotik's gipfeln, sind somit
hinfällig und erweisen sich als allgemeine Redensarten, die
den Kernpunkt der Sache vollkommen verfehlen. —
Ich bin am Ende. Es scheint mir nicht zwecklos,
gegen eine Kritik Front zu machen, gegen die, außer in
okkultistischen Fachblättern, noch kein Protest laut geworden
ist. Vielleicht tragen diese Zeilen dazu bei, daß
nicht ein Gegenstand als erledigt ad acta gelegt wird, der
keineswegs erledigt ist und über kurz oder lang doch
durchdringen muß. Ich zweifle nicht, daß Erscheinungen,
wie die Telepathie und die Gedankenübertragung — das
sind die spontane und die experimentelle Form ein und
*) Während Dr. Moli dein Moskauer Kollegen daraus eine n
Strick drohen will, kann ich au* der Er.vännuog dieses Details oben
nur schließen, daß Kotik in diesen kindlichen Fehler nicht verfallen
ist. Es hieOe dies bei Kotik eine geradezu an Schwachsinn
grenzende Einfalt voraussetzen.
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