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602 Psych. Studien. XXXVIII. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1911.)
unbekannten Bedingungen für eine oder mehrere Personen
sichtbar werden kann; 6) endlich daß diese Intelligenz nicht
direkt auf unsere materielle Welt wirken kann, sondern
nur durch einen halbfluidischen, ätherischen, vitalen Vermittler
(der in unserem Falle von der Eusapia gestellt
wurde).*
Prof. Flournoy meint, alle diese Hypothesen können
an sich wahr sein, und gegen die ersten beiden hat er
persönlich keinen philosophischen Einwand; allein keine ist
wissenschaftlich bewiesen — und hiermir. hat der Gelehrte
allerdings Recht. Prof. Flournoy betont hierbei, daß er
nicht von dem physikalischen Phänomen der Materialisation
spricht —, das ja jedenfalls supranormal und
rätselhaft bleibt, — sondern von dem geistigen Phänomen
, das dabei zum Ausdruck kommt und nicht dazu
berechtigt, es einer desinkarnierten Persönlichkeit zuzuschreiben
, während es sich spielend leicht erklärt aus den
rspiritogenena ganz gewöhnlichen Vorgängen in der Persönlichkeit
eines der Anwesenden. — Ich muß gestehen, daß
nach dieser Trennung des Phänomens die wissenschaftliche
Hypothese Flournoy's gewiß an Bedeutung gewinnt; allein
so getrennt tritt die Erscheinung nicht auf: man hat die
ganze lebendige Persönlichkeit des Abgeschiedenen vor sich
mit all seinen körperlichen und geistigen Eigenschaften.
Wenn wirklich das Medium nur die Form des Desinkarnierten
stellt, die sie notabene erst aus dem Gehirne des
Anwesenden ablesen muß, und andererseits wirklich der
betreffende Teilnehmer den geistigen Inhalt in diese Form
schüttet, wie, frage ich, kommt letztere zu dem lebenswahren
Handeln, zu jenem individuellen Auftreten, wie sie
Gesten, Händebewegungen, Küsse usw. in jeder Person
anders gestalten? Ist das Subliminale, dieser seltene Schauspieler
, ohne Wissen des eigenen Bewußtseins? Und warum
tritt gerade diese Gestalt auf? Dachten die anderen
Teilnehmer weniger stark an Verstorbene als Venzano?
Sind sie den Einflüssen der durch die Sitzung ausgelösten
Erinnerungen nicht ebenso unterworfen gewesen wie jener?
Noch hundert Fragen ließen sich hier anreihen und nicht
eine einzige kann der „Psychodynamismus* befriedigend
beantworten —, wenigstens für uns „Spiritisten" nicht.
Für den „ Psychologen * ist die Erklärung durch die Hypothese
des Psychodynamismus freilich leichter, denn er
springt über jede uns gewichtig scheinende Einwendung
leicht weg, Wenn ein Teilnehmer beteuert, er habe seit
langer Zeit an die erschienene Persönlichkeit nicht gedacht,
nie von ihr geträumt, kurz nichts sei ihm ferner gelegen,
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