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616 Psych. Studien. XXXVIII. Jahr#. 10. Heft. (Oktober 1911.)
III Abteilung.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Religion und Spiritismus.
Unter dieser Uberschrift veröffentlichte das „Neue
Wiener Journal" vom 19. Aug. er. einen bemerkenswerten
Artikel, den wir, vielseitigem Wunsch entsprechend, um so
bereitwilliger zum Abdruck bringen, weil die „Psych.
Studientt nach der ausdrücklichen Bestimmung ihres Begründers
lediglich der wissenschaftlich exakten Erforschung
der einschlägigen Probleme ^ dienen und^ mit dem Offenbarungsspiritismus
als Religion (geschweige als Geschäftssache
!) keinerlei Gemeinschaft haben. Er lautet:
„Vor kurzem hat, wie erinnerlich [vergl. Sept.-Heft,
S. 568, Briefkasten], der Papst den Spiritismus in einer
Enzyklika als etwas Verwerfliches, der Seele Schädliches
und daher als eine intensiv zu bekämpfende Bewegung
stigmatisiert. Damit ist der Spiritismus Pin autoritativste?
Form als antireligiös erklärt worden. Die Vertreter
anderer Konfessionen, die Protestanten voran, betonen
schon seit langem diesen Standpunkt. Wenn man darüber
einig ist, daß der ganze Komplex der spiritistischen Fragen
im wesentlichen doch als Geisterseben und Geisterzitieren
betrachtet werden muß, so wird das verdammende Urteil
in seinen Motiven noch immer nicht ohne weiteres klar,
und es wird nötig sein, die Erklärungen ins Auge zu fassen,
welche die Spiritisten ihren „Phänomenen* geben. Aus
der Schlammflut der Literatur, die dem Okkultismus und
mystisch drapierten Taschenspielereien gewidmet ist und
die in schwachen Köpfen von Erwachsenen ebensoviel Unheil
anrichtet, wie die Detektiv-, Wildwest- und Räubergeschichten
bei den Kindern, erhebt sich himmelhoch ein
(bei A. Stein in Potsdam) soeben erschienenes Buch „Die
Geisterwelt und der moderne Spiritismus. Eine kritische
Studie von Dr. Edwin Bab.Ä Der Verfasser, der sich um
die Entlarvung des „berühmtentt Mediums Anna Rothe
Verdienste erworben, ist wohl ein bedingter Anhänger der
modernen Geisterseherkunst, aber er nagelt die Schwindeleien
ihres Betriebes rücksichtslos an. Sein Werk gibt nun
auch die Handhabe zum vollen Verständnis der eingangs
erwähnten päpstlichen Enzyklika. „Es ist nicht zu leugnen,*
gesteht Dr. Bab ein, „daß der Spiritismus, soweit er bei
den gläubigen Massen seiner Anhänger verbreitet ist, zwar
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