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6B Psych. Studien. XXXVIII. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1911.)
eine Gestalt vor den erstaunten Zuschauern, die den Eindruck
erhalten, als sei sie aus dem Boden emporgewachsen.
Es liegt also ein Fall religiöser Ekstase vor, die durch
den Betrug des Kompagnons bald geheilt werden konnte.
Von welchen Beweggründen werden die spiritistischen
Gaukler geleitet? Neben der Gewinnsucht ist dies vor
allem der Wunsch, angestaunt oder gar als ein von Gott
besonders begnadetes Wesen förmlich angebetet zu werden.
Daß zum Beispiel das erfolgreichste Medium: die berühmte
„Femme masqu£ea und ihr Gatte für solche Verehrung
nicht unempfindlich sind, geht schon daraus hervor, daß sie
von Dr. Egbert Müller sich zurückzogen, weil er die bei
dem Medium auftretenden Phänomene zum Teil für das
Werk von höllischen Geistern erklärte. Dr. Möller spricht
ausdrücklich von dem Dünkel des Gemahls der „Femme
masqu£ea, der ihn bewogen habe, von dem Medium zu
lassen. — Uber die „Materialisationen" fällt Dr. Bab
selbst das vernichtendste Urteil, indem er sagt: „Es ist
zwar richtig, daß Materialisationen auch in Gegenwart von
exakten Forschern vorgekommen und auch von solchen
geprüft worden sind, es ist aber nicht wahr, daß die Vorgänge
selbst exakt erforscht worden seien. Und so hat
denn die Wissenschaft noch keinen Anlaß, derartige Dinge
anders als durch Taschenspielerei der Medien zu erklären.
Es wäre Folgendes erforderlich: Das Medium muß die
Sitzungen in der Wohnung des Forschers geben und es
muß dafür Sorge getragen werden, daß es das Haus des
Forschers niemals unbeobachtet betreten kann. Es muß
allein kommen, und anwesend dürfen nur solche Personen
sein, die der Forscher genau kennt und die zu dem
Medium nachweislich keinerlei Beziehungen haben. Das
Medium muß sich in Gegenwart von Vertrauenspersonen,
eventuell des Forschers selbst, vollkommen entkleiden, darauf
muß eine körperliche Untersuchung durch einen Arzt
vorgenommen werden, und schließlich müssen dem Medium
ihm völlig fremde Kleidungsstücke angezogen werden, die
von dem Forscher vorher beschafft worden sind. Unter
derartigen strengen Bedingungen ist eine Sitzung noch
niemals veranstaltet worden, und es erscheint auch unwahrscheinlich
, daß sich ein Medium ihnen unterwirft. Im
Gegenteil wird alles getan, um jede Kontrolle zu verhindern
. Licht wird ausgeschaltet, denn es stört die
„Phänomene", der Gehörssinn wird durch meist wohlgemeinten
, aber entsetzlich ausgeführten Gesang oder
durch Musik seiner, an und für sich schon nicht übergroßen
Schärfe beraubt, berühren darf man die Phantome nicht,
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