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Kaindl: Die physiologischen Grenzen der Gesichts-Haliuzination. 643
dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens sind diese
Phänomene trotz der Tatsache, daß die Möglichkeit ihres
Ursprunges in den subliminalen Regionen des Geistes oder
durch Vermittelung derselben in einer großen Anzahl von
experimentellen Fällen hinlänglich erwiesen worden ist, in
einer bündigen Form nur äußerst schwierig zu erklären.
Es ist weniger ihr Ursprung, als vielmehr die Verfahrungs-
art (modus operandi), nach welcher ihre Objektivierung erfolgt
, was die größere Schwierigkeit bereitet, und sind
Experimente, welche auf die Frage Bezug haben, ob diese
Objektivierung eine wirkliche oder bloß scheinbare ist, bis
jetzt nicht gründlich genug oder nicht in genügender Anzahl
angestellt worden, um diese Sache zur Entscheidung
zu bringen. Tatsächlich ist durch die fast allgemeine Annahme
, daß diese Visionen rein subjektiv seien, ihre Erforschung
uachhaltig unterdrückt worden.
Was ihren Ursprung anbetrifft, so läßt die Tatsache,
daß das subliminale Bewußtsein eines hypnotisierten Subjektes
so leicht Gedenken aufnimmt und weiter spinnt, die
ihm, — wenn auch nur auf telepathischem Wege (und
gleichgiltig, wie trivial und albern sie auch sein mögen)
vom Hypnotiseur suggeriert worden sind, mit ziemlicher
Sicherheit darauf schließen, daß es ebenso leicht, wo nicht
leichter von desinkarnierten Geistern, wenn es solche gibt,
beeinflußt werden kann. Das bisher angewandte Schlußverfahren
hat mich zu dem Ergebnisse geführt, daß die
örtliche Objektivierung der sogenannten Gesichts - „Halluzinationen
Ä keineswegs als das Resultat rein subjektiver
Vorgänge, die sich in dem physischen Substrat des Geistes
vollziehen, erklärt werden kann; die physiologische Theorie
scheitert an den Tatsachen und muß als unbrauchbar verworfen
werden, so daß man sich gezwungen sieht, die Erklärung
entweder zu suchen:
(A) In einer supernormalen Fähigkeit des subliminalen
Geistes, vermöge welcher das halluzinatorische Perzept und
die Perzeptionen von den Gegenständen der Umgebung
derart in Wechselbeziehung gebracht werden, daß sie der
Erscheinung die lebhafte Empfindung einer örtlichen Objektivierung
verleihen und so das Urteil vollkommen
täuschen.
Man kann das passender Weise als Pseudo-Objektivie-
rung bezeichnen und ist dies gewissermaßen eine an sich
übersinnliche Hypothese, indem der Geist, den sie in sich
schließt, einen vom Körper gesonderten Teil der Persönlichkeit
bildet, dessen bloßes Vorhandensein jeder Erklärung
, welche sich lediglich auf eine physische oder
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