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652 Psych. Stud, XXXVIII. Jahrg. 11. Heft. (November 1911.)
in den anderen Experimentalwissenscliaften anwendet: Man
schreitet vom Bekannten oder wenigstens von dem, was
man für bekannt hält, weiter zum Unbekannten, vom Einfachen
weiter zum Zusammengesetzten. Dies ist gänzlich
verkehrt — meint Dr. G. —, denn wir haben ja soeben
festgestellt, daß die einfachsten Phänomene uns ebenso unverständlich
sind, wie die verwickeltsten. Also fangen wir
doch lieber gleich mit den verwickeltsten Phänomenen an!
Haben wir erst einmal diese vollständig durchschaut, dann
werden uns auch die einfacheren Phänomene verständlich
sein. Denn sie hängen ja doch alle zusammen. —
Welches sind nun aber die verwickeltsten Phänomene ?
Sind es die sogenannten physikalischen oder die sogenannten
intellektuellen*' Dr. G. entscheidet sich für die
physikalischen Phänomene. Er meintj diese seien nicht nur
verwickelter als die intellektuellen, sondern sie seien auch
i?ehon darum vorzuziehen, weil sie dem Experimentator die
Anwendung von Meß- und Kon troll - Apparaten gestatten,
ihn überhaupt in die Lage versetzen, wirklich experimentieren
zu können, nicht bloß zu beobachten, wie dies bei
den intellektuellen Phänomenen der Fall ist. Unter den
physikalischen Phänomenen ist aber das der Materialisation
bekanntlich weitaus das verwickeltste, das,
bei dem es am meisten Probleme zu lösen gibt. Deshalb
schlägt Dr. G. vor, daß man einmal mit einem gründlichen
Studium dieses verwickelten Phänomens den Anfang machen
sollte. Und er denkt sieh die Sache so, daß sich eine Anzahl
geübter Beobachter zusammenfindet — es brauchen
durchaus nicht ausschließlich offizielle Gelehrte zu sein,
wohl aber solche, die Sinn haben für philosophische Fragen,
„synthetische Köpfe, die sich nicht in Detailfragen verlieren
und sieh nicht mit bloßen Worten abfinden lassen "
— schreibt Dr. G. wörtlich — und die sich nun ganz und
gar in das Studium der Materialisations - Erscheinungen
vertiefen, indem sie alle übrigen Phänomene vorläufig ganz
und gar beiseite schieben.
Man wird hier unwillkürlich an jene Untersuchung
der Materialisations - Phänomene der Villa Carmen in
Algier erinnert, die Prof. Charles Eichet vor ein
paar Jahren — im August 1905 — im Verein mit Gabriel
Delanne*) durchzuführen versucht hat. Es
war dies ja sicher eine sehr verdienstvolle Arbeit. .Nur ist
sie leider nicht zu Ende geführt worden. Prof. Richet
*) Redakteur der „Revue scientifique et morale du spiri-
tisme*. I).
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