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660 Psych. Stud XXXVIII. Jahrg. 11. Heft (November 1911.)
hart und sogar in der Handschrift dieses Mannes schreibt,
dann versagen alle übrigen Erklärungen.1* *)
Die moderne Wissenschaft hat zur Erklärung allerdings
noch andere Hilfsmittel, als Unterbewußtsein und
Kryptomnesie; so z. JB. Telepathie, Gedankenübertragung
sogar aus dem intellektuellen Inhalt der Anwesenden, und
schließlich als ein Mittel, das schon sehr komplizierte und
dunkle Fälle erklären kann, die „tel^pathie indi-
recte" oder „telöpathie ä trois". Diese Theorie
lehrt, daß „die Erscheinungen des Bewußtseins eines lebenden
Individuums sich auf das Unterbewußtsein eines
anderen übertragen können, das keine Ahnung hiervon hat;
und auf dieser Brücke können sie eine dritte Person erreichen
, bei welcher sie als Visionen, Mitteilungen durch
den Tisch, automatische Schrift usw. auftauchen44. Warum
derartige Theorien einfacher sind, als die spiritistische
Hypothese, sehe ich nicht ein; allein was bleibt schließlich
zu entgegnen, wenn Prof. Flournoy sagt: „Wir wissen
nicht, wie weithin sich diese mysteriöse Herrschaft der Telepathie
unter Lebenden erstreckt und welches die Grenzen
sind, wenn es solche gibt, jenseits derer wir aufhören, aufeinander
einzuwirken?44
Alierdings kann Flournoy die Hypothese der Spiritisten
, daß die — so wenig wie die allgemeine Gravitation
— erklärte Telepathie unter Lebenden eben durch Mitwirkung
der Desinkarnierten stattfinde, nicht absolut
zurückweisen. Er sagt sogar: „sie hat nichts Unmögliches
an sich! Aber sie begeht den schweren
methodologischen Fehler: sie vermehrt die Ursachen, ohne
daß es notwendig ist, indem sie die Schwierigkeiten nur
häuft. Wenn die Mitwirkung der Desinkarnierten notwendig
ist zur Erklärung der Tatsachen der Telepathie
zwischen den Lebenden, wie wird man dann die Verbindung
der Desinkarnierten selbst, sei es unter sich, sei
es mit den Lebenden anders erklären, als daß man unter
all' diesen Geistern eine telepathische Fähigkeit annimmt
(sei es physisch durch Äther- oder fluidische Schwingungen,
sei es mystisch durch den unmittelbaren, allen Seelen gemeinsamen
Verkehr usw.). Es ist daher einfacher, Telepathie
direkt zwischen Lebenden anzunehmen, ohne den
überflüssigen Umweg mit den Geistern der Toten zu
machen. Kurz, wenn man die Telepathie durch das Wirken
der Desinkarnierten erklärt, dann muß man wohl dieses
*) Dieser Fall ist einer der Sitzungen mit Stainton Moses
entnommen. Peter.
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