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746 Psych. Stud. XXXVJIL Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1911.)
mehr als einen Monat nach dem Tode ihrer Mutter an Dr.
Hodgson, es sei in ihrer Privatschatulle ein versiegelter
Brief gefunden worden, worin sie ihren Tod bis ungefähr
fünf Jahre nach dem ihres Mannes ankündigte, der am
24. April 1888 gestorben war; auch habe ihre Mutter öfters
geäußert, daß sie bis dahin ihrem Tode entgegensehe. Sie
starb am 20. August 1893. Folgendes war der Inhalt des
in der Schatulle gefundenen Briefes: „Seit dem Tode
meines Mannes am 24. April 1888, habe ich immer das
Gefühl gehabt, daß fünf (5) Jahre meine Lebensgrenze sind
oder sein werden. Das ist mir nie besonders gesagt worden,
aber diese Erkenntnis schien mich zu verfolgen wie die irgend
einer anderen Tatsache —, wie wenn zum Beispiel heute
Frtitag ist, und ich beabsichtige, etwas in einigen Tagen
vorzunehmen, so überlege ich: morgen ist Samstag, dann
kommt der Sonntag, da kann ich es nicht tun. Immer
folgt mir ganz ruhig und selbstverständlich der Gedanke:
fünf Jahre. Sollte ich aber noch sechs Jahre leben, dann
werde ich diesen Brief vernichten; erweist sich jedoch meine
Vormahnuug als wahr, so soll er an Herrn Richard Hodgson
, 5 Boylston - Place, Boston, Mass., mit Angabe der
näheren Umstände gesandt werden." Die verstorbene
Dame scheint übrigens nach ihrem Testament den okkultistischen
Kreisen nahe gestanden zu sein ? so daß schon
deshalb der Fall wohl einige Kritik herausfordert. —
Wohl das merkwürdigste Beispiel einer Todesahnung,
die mit einer Weissagung kompliziert erscheint, ist der von
Hvslop angeführte Fall des Sohnes eines Prof. Brooks
in Baltimore. Hier scheinen Fremdsuggestion und Autosuggestion
sich vereinigt zu haben, um das tragische Ende
eines jungen Mannes herbeizuführen: Prof. Brooks war am
Damencollege in Baltimore. Der Sohn war krank gewesen
und jetzt auf dem Wege der Genesung. Der Arzt befürchtete
keineswegs einen schlimmen Ausgang. Während
der Krankheit gab jedoch der Knabe an, „ein früherer
Lehrer und Freund von ihm namens Hall, der vor ungefähr
fünf Monacen starb, sei ihm in einer Vision erschienen
und habe gesagt, er werde an Herzleiden sterben
am Mittwoch, dem 5. Dezember, nachmittags 3 Uhr. (Die
Weissagung geschah im vorausgehenden April.J Der junge
Brooks hatte nie Herzleiden gehabt, und seine Freunde,
denen er den Traum erzählte, achteten nicht weiter darauf.
Dr. Mann, sein Arzt, lachte darüber und sagte, er sei
sicher, daß er sich im Gegenteil recht wohl befinden werde.
Einige Tage vor der angegebenen Zeit sandte er einigen
Freunden Blumen mit einem Briefchen des Inhalts: „Ich
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