http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0761
Literaturbericht.
757
Es war wahrhaftig ein hartes Los, das dieser eimt so vielgefeierten,
nur an Glanz und Luxus gewohnten Frau im Alter beschieden war.
Der Tod des Gatten scheint ihr den letzten Best von Lebensmut
geraubt zu haben. Sie nahm Abschied von dieser Welt und machte
ihrem Dasein in ihr ein Ende, diesem wechselvollen Dasein, das so
lange Zeit getragen schien von allem Glanz und Schimmer, den die
äußere Welt zu bieten, von allem Glück, das ihr Herz ersehnt
haben mag, in das aber die Parzen schon in früher Jugend jenen
schwarzen Schicksalsfaden hineingesponnen hatten, der mit wachsenden
Jahren sich immer verhängnisvoller, immer unheilschwangerer
erwies und sie schließlich hinabzog in ein namenloses Elend. Sie
hatte ein schweres Karma zu tragen — so würde der Anhänger der
indischen Theosophie sa^en —, ein Karma, zu dessen Überwindung
ihre moralische Kraft nicht ausreichte. Aber seien wir gerecht:
von dem Moment ant in dem sie zu einer abgeklärten Weltanschauung
gelangt war, hat sie sich, soweit es wenigstens in ihrer Kraft
stand, ehrlich bemüht, Meisterin zu werden über ihr Kaima, bis
ihre Kraft erschöpft war. Ob sie mit ihrem tragischen Ende ihren
theosophischen Grundsätzen untreu wurde, darüber steht mir kein
Urteil zu. Die vielverschlungenen Pfade ihres Lebens hat sie kurz
vor ihrem Ende in einem Band „Erinnerungen" geschildert.*) Doch
nicht mit diesen Erinnerungen" haben wir es hier an dieser Stelle
zu tun, sondern mit dem oben angegebenen Buch: „Wie ich mein
Selbst fand." Es ist dies weiter nichts als ein A-B-C-Büchlein des
Okkultismus — so nennt es die Verfasserin selbst —, das hier in
zweiter Auflage erscheint und das wohl schon früher in den „Psych.
Studien* näher besprochen worden ist. Eine in leichtem, fließendem
Stil geschriebene Einführung in das unerschöpflich reiche Gebiet
des Okkultismus! Solcher.Einführungs-Bücher gibt es ja eine ganze
Menge. Aber vielleicht keines, das eine solch gewandte Feder verrät
wie dieses — eine Feder, die so fesselnd zu schildern versteht.
Man fühlt aus dem ganzen Buch den Reiz der anmutvollen Überredungskunst
heraus, den diese Frau Zeit ihres Lebens auf alle auszuüben
verstanden hat, die ihr jemals näher getreten find.
L u d w. D e i n h a r d.
Die Welt und ihrer Kräfte Ursprung. Grundlagen einer neuen Theorie
von Johann vom Wehrt. 64 S. Stuttgart, E. Leupoidt's
Kommissionsverlag, 1911. Preis 1.20 M.
„Wie sieht ein Atom aus ? Wie erklärt sieh das Wesen der
Schwerkraft? Worauf sind die elektrischen Erscheinungen zurückzuführen
? Was ist „Äther"? Wie hat man die Ursache der
Kristallisation, der Affinität, der Aggregatzustände zu begreifen?"
Diese den Naturforscher, wie den Philosophen gleich sehr fesselnden
Probleme, über die wir tatsächlich nicnts Sicheres wissen, sucht
Verf. mit viel Scharfsinn zu lösen und so einen Überblick über da»
Weltgeschehen in seiner Gesamtheit zu geben, indem er die das
lätselhafte Atom und das gespensterhafte Elektron noch immer umhüllenden
Schleier lüftet. Strahlen, Elektronen, Atome streben unter
der Urkraf t Bann alle einer Entwickelung zu. Das komplizierte Atomgebäude
des lebenden Körpers läßt sich in das Gebilae eines neuen,
unbegreifbaren höheren Raums überleiten, so daß dem denkenden
Leser am Schluß ganz von selbst der Gedanke aufdämmert: der
Jahrtausende alte Glaube der Völker an das Besitztum einer unsterblichen
Seele ist nunmehr im Begriff, sich als „Quintessenz"
•*) „Von Anderen und mir," Erinnerungen aller Art von Helene von Racowitza
(Frau von Sehewitsch). Berlin, Gebr. Paetel, 1909.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1911/0761