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2 Psychische Studie». XXXIX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1912.)
zerfällt in vier Teile. Eine kurze Skizze wird dem geehrten
Leser zeigen, wie außerordentlich reichhaltig und interessant
dies Werk in allen seinen Teilen ist. Wird das Buch gut
übersetzt, so wird es sicher auch bei uns zahlreiche Leser
finden, denn hier ist das schwierigste aller Probleme, die
viel besprochene JE&e Inkarnation, meisterhaft behandelt.
Der J. Teil erwähnt die Anschauung der Alten und
führt Beispiele moderner Ansichten und Erklärungen an,
wie Lavater, Voltaire, Rauch, Victor Hugo,
Graf Tolstoi, Sir Oliver Lodge, Martin, Armand
Sabatier u. a. Interessant sind die Ausführungen
Rauch's*) über die Frage: „In welchem Moment ist die
Seele geschaffen?* Er verwirft die Annahme, daß sie zur
selben Zeit, wie das Wesen selbst erzeugt worden sei, und
weist auch die Hypothese zurück, daß sie von Ewigkeit
her existiere. Rauch hält für das Wahrscheinlichste, daß
sie in einer zwischen den in den genannten Theorien liegenden
Zeitepoche nach dem Willen der Gottheit geschaffen ist und
ihr zugleich die Unsterblichkeit verliehen wird. Nur auf
diese Weise, sagt der Gelehrte, kann man die verschiedenen
Stufen der Entwicklung, auf welchen die Seelen doch offenbar
stehen, erklären. Wären die Seelen von Ewigkeit her,
sie müßten nach dieser langen Zeit einen höheren Grad der
Entwicklung zeigen; würde die Seele aber zugleich mit
dem Körper, für den sie bestimmt ist, geschaffen, woher
kämen die Eigenschaften, welche die Seele eines Menschen
von jener eines anderen unterscheiden? „Unterschiede in
der Bildung des Gehirns!*, antwortet die kriminalistische
Anthropologie. T Aber meine Vernunft44, sagt Rauch, „lehnt
sich gegen eine Lehre auf, welche das menschliche Wesen
auf die Stufe des Tieres zu stellen sucht,**) und behauptet,
daß es einfach den Antrieben des Instinkts gehorcht . . .Ä
„Die Seelen gehen alle aus der Hand Gottes im gleichen
Anfangszustand hervor***) und, wenn sie daher zugleich mit
demWesen geschaffen wären, dann müßten alle Menschen moralisch
gleich sein oder wenigstens im Augenblicke ihrer Geburt
gewesen sein. Dem ist aber nicht so; in einem Alter, in dem
das Geschöpf noch nicht mit Gut und Böse rechnen kann
und noch kein Einfluß von außen auf dasselbe wirkt, verrät
es schon die Eigenschaften und die Fehler, die in ihm
*) Bauch: „Die Seele und das Lebensprinzip."
**) Dieser aus menschlicher Selbstsucht, bezw. dem „anthropozentrischen
Irrtum" leicht erklärliche Einwand ist für eine streng
wissenschaftliche Prüfung durchaus nicht stichhaltig. - Ecd.
***) Auch diese Theorie des Verfassers ist keineswegs bewiesen
! — Eed.
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