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40 Psychische Studien. XXXIX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1912.)
Tode in seine eigentliche Wirksamkeit tritt, nach ganz
neuen Gesichtspunkten zu behandeln; er hat nicht nur eine
Menge hochinteressanter Probleme (Hellsehen, Gedankenübertragung
etc.) aufgerollt, sondern wir haben es ihm zu
verdanken, daß wir in religiöser Hinsicht nach den Stürmen
der Gegenwart wieder festeren Fuß fassen, weil wir erkennen
, daß der Weg in das mysteriöse Dunkel des Ubersinnlichen
vielleicht doch nicht so ganz verschlossen ist,
wie man anfangs gemeint hat.
Kein Wunder, daß man seit längerer Zeit — ich glaube
sogar schon seit den ersten Anfängen der spiritistischen Bewegung
— kein Bedenken getragen hat, die so gewonnenen
Erkenntnisse auf ein Gebiet zu übertragen, um das am
meisten der Streit der Geister entbrannt ist und das daher
am meisten der Erkenntnis zu bedürfen schien: die Bibel.*)
So begann das Heraus- und Hineininterpretieren, das die
bens nicht direkt hervor! — Red.] und ist nur durch ein Versehen
des Verlages gedruckt worden. Den Bericht von dem Experimente
Baraduc's hielt ich nicht, wie es dem Texte nach scheinen
könnte, ohne weiteres für beweiskräftig, da jener Bericht an sich
noch keinen stichhaltigen Beweis für die Glaubwürdigkeit des dort
berichteten Experimentes bietet; überdies ist Dr. Baraduc (wie mir
Herr Dr. Freudenberg mitteilt) hinsichtlich seiner Wif^enschaftlich-
keit von beinen Fachgenossen in den letzten Jahren seines Lebens
vielfach angezweifelt worden. — Ebenso wenig Wert als solche hat
an sich auch (s. Briefkasten S. 760/ die Wahrnehmung von Davis,
die natürlich, wenn sie wirklich gemacht worden ist, auch auf
Halluzination beruhen kann. Daß das Schwefeikalzium die erwähnte
Eigenschaft besitzt, ist mir von einem mit den einschlägigen
Experimenten bekannten Herrn versichert worden, ohne daß ich
selbst eine Garantie dafür übernehmen könnte. Die Sache ist also
noch sehr problematisch, da auch über die „Phantome Lebender"
noch nicht dus letzte Wort gesprochen ist; es ist aber natürlich
nicht ausgeschlossen, daß sich noch auf dem angegebenen oder ähnlichem
Wege bedeutsame Resultate erzielen lassen " — [Redaktion
und Verlag der „Psych. Stud." hofften durch die Veröffentlichung
jener „ Anfrage ", die sie selbst nicht zu beantworten vermochten,
eine doch wohl im Wunsche des Herrn Verfassers liegende weitere
Erörterung durch sachkundige Mitarbeiter herbeizuführen. — Red.J
*) Es wäre hier am Orte > darauf hinzuweisen, daß der antike
mit dem modernen Geisterglauben meist nichts als den Namen gemeinsam
bat. Die antiken Geister kommen aus dem Hades, d. h.
aus dem Reiche, das nicht das Lichtreich ist. Daß die Griechen
insbesondere keinen scharf ausgeprägten Jenseitsglauben gehabt
haben , hat E. Rohde : „ Psyche " zur Genüge bewiesen. Man hüte
sich also auch ohne weiteres in dem delphischen Orakel eine Stätte
übersinnlicher Mitteilung, in der Pythia (die ^ achrichten davon sind
ganz ungenügend) gar ein Medium zu sehen. Ebenso kommen hier die
eleusinischen Mysterien nicht in Betracht; €s werden, wie sich aus der
Anlage des Versammlungslokales ergeben hat, einfache Pantomimen
gewesen sein. Berührungspunkte finden sich natürlich aach hier,
sind aber nur mit großer Vorsicht zu behandeln.
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