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60 Psychische Studien. XXXIX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1912.)
Seite des Phänomens bedarf noch der Aufklärung44. — Daß
die Wünschelrutenforschung, die bisher in den Händen
einzelner lag und daher der Einheitlichkeit ermangelte,
seitdem wieder ein gutes Stück vorwärts gekommen ist, beweist
die Gründung des „Verbandes zur Klärung der
Wünschelrutenfrage", über welche wir im vorigen Heft, K.
Not. d), S. 753 berichtet haben.
e) Neues überWachsuggestion. In den letzten Tagen
— so schreibt das „N.Wien. Journ." vom 28. X. 1911 — hielt
Herr Kasimir v. Radwan im Hotel Imperial einen Vortrag
über Wachsuggestion vor einem Auditorium von Ärzten.
Unter den zahlreichen, mit großem Beifall aufgenommenen
Experimenten sei der Nachweis der Puls Veränderung unter
suggestivem Einfluß erwähnt; weiterhin sein Versuch der
Herbeiführung lokaler Anästhesie. Besonders interessant
gestaltete sich das Experiment der Steigerung der Fähigkeiten
auf Grund suggestiver Beeinflussung. Ein Klavierspieler
spielte mehrere Stücke, die er nur einmal gehört,
auswendig. Beim Vortrag am folgenden Samstag gab Herr
I)r. Behringer aus München eine psychologische Erklärung
der in Frage kommenden suggestiven Experimente.
f) Graphologie im vorigen Jahrhundert.
Schon vor mehr als hundert Jahren gab es einen Mann,
der nicht nur daran glaubte, daß die Handschrift ein
Spiegel des Charakters sei, der vielmehr, obwohl er solche
Dinge nicht berufsmäßig betrieb, die Fähigkeit, Schriften
zu beurteilen, in hohem Maße besaß und ausgebildet hatte.
Es war ein Engländer, der Erbe unermeßlicher Beichtümer,
der Sohn jener Lady Wortley-Montague, die, nachdem sie
auf ihren orientalischen Reisen die in Asien längst gebräuchliche
Impfling kennen gelernt, in Europa gewissermaßen
der Pionier für dieses Schutzmittel gegen die
Blattern wurde. Eduard Wortley-Montague, ihr
Sohn (geboren 1713, gestorben 1776), war ein Sonderling,
der einen großen Teil seines Lebens im Orient verbrachte,
orientalischen Gewohnheiten in hohem Maße huldigte und
ebenso toll, als geistreich war. Zu den Dingen, die er
eine Zeitlang leidenschaftlich studierte, gehörte auch das
Wesen der Handschrift. Wie weit er es in der Beurteilung
derselben gebracht hatte, davon mögen nur zwei verbürgte
Geschichten erzählen. Eines Tages zeigte man ihm
ein paar Zeilen eines ihm fremden Menschen und er erriet
, daß derselbe — Violoncell spielte. Und ein anderes
'Mal erhielt er in Gegenwart mehrerer Freunde den Brief
eines Bekannten. Er hatte kaum die Adresse gesehen, als
er in die Worte ausbrach: „Lord B. scheint krank zusein.
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