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Kurze Notizen
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liier den „dänischen Tschechow", dessen Werke ins Russische
übersetzt worden sind und viel gelesen werden. Bang war
vor wenig mehr als einem Monat unser Gast; er hielt hier
zwei Vorträge, die stark besucht waren. In einer Privatgesellschaft
lernte ich diesen merkwürdigen Mann kennen,
der in Deutschland und Frankreich ebenso zu Hause war,
wie in seinem Vaterlande. Der kleine, elegante Mann, auf
dem die Müdigkeit des Sprossen eines alten erschöpften
Geschlechts lag und der den vollendeten Typus eines Neu-
rasthenikers repräsentierte, plauderte angeregt über seine
Weltreise und literarische Dinge. Dann kam er auf seine
Familie zu sprechen und er erzählte mit großer Eindringlichkeit
und in der ihm eigentümlichen Pose, daß er imstande
sei, durch eine ungeheure Willensanstrengung seinem
räumlich weit entfernten Freunde zu erscheinen. Man
hörte seinen Erzählungen mit höflichem Lächeln zu und
dann senkte Bang plötzlich die Stimme; seine tiefliegenden
flackernden Augen blickten starr und er flüsterte: „Ich
werde von dieser Reise nicht mehr zurückkehren. Ich
fühle mit absolutei Klarheit, daß ich bald sterben muß."
Dann strich er mit seiner nervösen Hand über die Stirn;
sein Gesicht, über das beständig eine starre Maske zu fallen
pflegte, belebte sich wieder und er plauderte weiter, als ob
er die Todesahnung überhaupt nicht ausgesprochen hätte.
Die ganze flüchtige Szene hinterließ aber doch einen Eindruck
, als ob man es mit einem Manne zu tun habe, in
dem ungewöhnliche Kräfte wohnen. Als er die wenigen
Worte flüsterte, schien seine Seele weit entrückt, in unfaßbare
Fernen zu schweben. Der Tod Bang's im Staate
Utah hat seine vorahnenden Worte bestätigt.*)
d) Merkwürdige Todesahnungen. Der
vielgelesene „Pester Lloyd" erzählte jüngst (laut „.Neuen
Wiener Journal" vom 26. November 1911) folgende
sonderbare Geschichte einer Todesahnung: Der Bildhauer
Prof. A. Strobl in Budapest arbeitet gegenwärtig an
einem mächtigen Werk, das die Arbeit und den Arbeiter
glorifiziert. Es ist das Monument des berühmten Andreas
Mechwart, des ehemaligen Direktors, der die Ganz'sche
*) Der freundliche Einsender, Herr Alois Kaiudl, schreibt uus
zu dieser, den „Münchner Neueste Nachrichten" (Vorabendblatt
Nr. 65 vom 7. II. 12) entlehnten Notiz: „Angenehm berührt hierbei,
daß dieser Bericht frei ist von jener seichten und öden Witzelei,
welche der nur viereckige Dinge hirnende Alltagsmensch so gerne
an Sachen übt, die nicht von solcher Art sind. Die berichteten
Phänomene, sowie deren Ausgang erinnern an die Versuche des
Obersten Townshend fs. Dr. Herbert Mayo: „Wahrheiten im Volksaberglauben
*', S. 40, 41). — E e d.
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